Betrachtungen zur Gentechnik

4. Dezember 2010, 00:36 Uhr

© designee.de

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DER ZITTERAPFEL

Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt: Das Gentechnik-Gesetz ist rechtens. Der Anbau von genmanipulierten Pflanzen wurde in Deutschland hart reglementiert. Annette Schavan hat dennoch angekündigt, die Regierung werde in den kommenden Jahren ca. 2,4 Mrd. Euro in die Erforschung von grüner Gentechnik stecken. Denn Deutschland dürfe hier international den Anschluss nicht verpassen. Und jetzt hab ich mal eine Frage: Warum eigentlich nicht? Also, warum dürfen wir den Anschluss an die grüne Gen-Technik nicht verpassen? Gerade wenn es um genmanipulierte Nahrungsmittel geht.

Gleich vorne weg. Ich habe keine Angst vor Genfood, gesundheitlich betrachtet. Wirklich nicht, im Gegenteil. Neulich hat mir eine Veranstalterin nach der Vorstellung Tomaten hingestellt und, offensichtlich Bezug auf mein Programm nehmend, stolz verkündet: „Herr Weber! Aus eigenem Anbau, die sind absolut genfrei!“ Da hab ich mir gedacht: „Na, dafür, dass die Dinger keine Gene haben, sehen sie eigentlich ganz lecker aus!“ Fehlende Chromosomen sind nämlich in der Regel in der Natur absolut tödlich. Männer haben im Vergleich zu Frauen nur ein Viertel Chromosom weniger, und wir wissen, was das schon teilweise für verheerende Konsequenzen hat. Aber viele Zusatzstoffe wie Zitronensäure, Glutamat etc. werden seit Jahren aus gentechnisch veränderten Bakterienkulturen gewonnen. Millionen Tonnen von Gen-Soja wird an unsere Tiere verfüttert. Kam es da bisher zu Komplikationen? Mein Gott, ich verdaue das Zeug doch! Ich will ja mit den Gen-Kartoffeln keine Kinder zeugen.

Wenn es um die ökologischen Risiken geht, da bin da schon skeptischer. Biologische Systeme sind nun mal sehr komplex. Wir können einfach nicht immer sicher sein was passiert, wenn wir zu frech mit Gottes Legosteinchen herumspielen. Wie wir wissen, kann sich das Geschöpf auch leicht gegen den Schöpfer wenden. Wie bei Frankenstein. Oder Jekyll und Hyde. Oder Helmut Kohl und Angela Merkel. Vor allem, da sich die Verbreitung von gentechnisch veränderten Pflanzen nicht immer leicht kontrollieren lässt. Wenn so Gen-Pollen durch die Gegend fliegen und sich im Genom vom Nachbarfeld rumtreiben, ist schlecht mit dem Handkehrer hinterher zu kommen. Heuschnupfen ist an sich schon lästig. Aber wenn man dann noch Angst haben muss, dass die Schleimhäute mutieren und das Zeug, das aus der Nase kommt, plötzlich anfängt zu laufen… Grauenhaft!

Außerdem sehe ich da noch eine andere Gefahr: Nehmen wir mal an, irgendeine Firma entwickelt so eine richtig tolle, multiresistente, supergroße, superleckere Mega-Mais-Sorte. Der Porsche unter den Maispflanzen! So hochentwickelt, dass die fertigen Cornflakes direkt aus den Kolben in den Teller springen. Wird dann auf kurz oder lang nicht jeder Bauer nur noch diese Maissorten anbauen wollen? Oder müssen? Einfach um konkurrenzfähig zu bleiben? Dann werden in Mexico statt 250 nur noch eine Mais-Sorte angebaut. Und was ist, wenn es dann doch mal einer Mais-Grippe gelingt, all die schönen Stauden dahinzuraffen. Denken wir an die Kartoffelpest. Die hat im 19. Jahrhundert mehr als einer Millionen Iren das Leben gekostet, weil praktisch das einzige Grundnahrungsmittel der Insel auf einen Schlag zerstört wurde. Stellen Sie sich mal vor, in Berlin würden über Nacht alle Döner-Buden abbrennen. Das wäre eine Katastrophe von biblischen Ausmaßen.

Aber die Frage ist doch: Ist das beim Thema Gentechnik überhaupt der springende Punkt? Wäre es nicht sinnvoll, bevor wir lange die Risiken abwägen, erstmal die grundsätzlichste Frage zu klären: Brauchen wir das Zeug eigentlich? Brauchen wir gentechnisch veränderte Nahrungsmittel?

Und da fängt bei mir der Zweifel an. Wir haben in Europa doch jetzt schon Butterberge, Milchseen, Molke-Muränen… Was brauchen wir noch größere Gurken? Noch ertragreicheren Weizen? Noch schädlingsresistenteren Mais? Wir können doch froh sein, wenn wenigstens die Schädlinge den Scheiß-Mais fressen. Um Obst gegen Frost unempfindlicher zu machen, hat man jetzt Erdbeeren Gene von arktischen Flundern eingesetzt. Das sind Fische. Und ziemlich flinke Biester. Die armen Erdbeer-Pflücker tun mir jetzt schon leid… Eine Kreuzung aus Erdbeere und Fisch. Bei der Vorstellung wäre sogar Frankenstein bei Greenpeace eingetreten. Aber warum dann nur Erdbeeren und Flundern? Warum nicht auch Apfel und Zitterrochen-Gene kreuzen? Raus kommt der Zitterapfel. Da braucht man keine Insektizide, die funktionieren nämlich wie diese elektrischen Fliegenfallen beim Bäcker. Wenn eine Wespe andockt, verpufft sie in einer Wolke verkohlendem Chitin. Wobei ich noch nicht gelesen habe, dass man auch versucht hat, Tieren pflanzliche Gene einzusetzen. Das wäre aber doch eine Idee: Ein Schwein einfach mit einem Soja-Gen ausstatten. Und rauskommt die erste vollvegetarische Tofu-Sau. Wenn man diese Tofu-Sau dann noch mit Selbstmord gefährdeten Lemming-Genen rückkreuzt, erhält man ein veganes Schwein, das sich selbst in die Fleischbrühe reinstürzt. Das können dann auch Tierschützer mit gutem Gewissen essen, weil man davon ausgehen kann, dieses Schwein wollte geschlachtet werden.

Bei der Gentechnik geht es doch um den ganz trivialen Wunsch noch billiger, noch größere Mengen zu produzieren. Da sagen Gentechnik-Befürworter gerne: „Genau. Und deswegen können uns diese Technologien auch helfen, den Hunger in der Dritten Welt zu bekämpfen.“ Schön. Aber warum werden dann die meisten gentechnisch veränderten Pflanzen in Amerika angebaut? Und wenn ich mir so den durchschnittlichen Ami vorstelle, so unterernährt sieht der gar nicht aus.

Und verschenkt wird nichts. Seit Monsanto, der größte Saatgut-Hersteller der Welt, Gen-Baumwolle nach Indien verkauft, haben sich ca. 120.000 Bauern wegen Überschuldung das Leben genommen. Die Baumwolle, die sie für teures Geld nach intensiven Werbe-Kampagnen gekauft haben, war zwar resistent gegen diverse Insekten, holte sich aber irgendwelche Pilze, auf den die Wunderpflanzen nicht eingestellt war. Und von wem bekamen die Bauern die Anti-Pilz-Mittel verkauft…?  Dreimal dürfen Sie raten. Wie Gentechnik in einem Land wüten kann, wird sehr schön in dem Buch „Geraubte Ernte“ von der alternativen Nobelpreisträgerin Vanadana Shiva beschrieben. Wer es sich bequem machen will, kann sich den Film „Monsanto – mit Gift und Genen!“ anschauen. Toller Streifen. Aber bitte, kein Popcorn aus Gen-Mais dazu fressen.

Es gibt viele Gründe, warum ca. 1 Mrd. Menschen heute hungern. Und Gentechnik ist meiner Meinung nach nur sehr bedingt ein probates Mittel dagegen.  Denn selbst, wenn armen Ländern die trockenresistente Hirse für „umme“ überlassen wird, bringt das auch nichts, wenn der afrikanische Bauer auf seinem Feld lieber Biosprit-Pflanzen für Europa anbaut. Die sind dann übrigens auch gentechnisch verändert.

Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden.

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