Die deutsche Küche gilt als deftig, schwer und alles in allem recht uninspiriert. Und meiner Auffassung nach nicht ganz zu Unrecht, denn der rohe und achtlose Umgang mit Essen spiegelt sich schon in unserer Sprache wider. Begriffe aus der Welt der Nahrungsmittel werden hierzulande gerne benutzt, um sein Gegenüber zu beleidigen und zu diffamieren. Traurige Beispiele hierfür sind: Suppenkaspar, Hanswurst, Trauerkloß und beleidigte Leberwurst.
Was soll denn dieser Unfug? Wie beleidigt man denn bitte eine Leberwurst, indem man sie pauschal zusammen mit einer Blutwurst in einen Topf wirft? Wie kann eine Tomate treulos sein – oder hat eine Tomate Sie jemals betrogen, sagen wir, mit einer feurigen Paprika? Noch nie ist ein Früchtchen frech zu mir gewesen und noch nie, nie hat eine Zitrone, und war sie noch so sauer, mir gegenüber den nötigen Respekt vermissen lassen. Oder denken Sie an den Ausruf: „Das ist mir Wurst!“ Welch unpassende Phrase, um gleichgültiges Desinteresse auszudrücken! Wie kann der sublime Genuss einer rösch gebratenen Merguez aus zartem Lammfleisch einem Menschen mit einigermaßen funktionstüchtigen Geschmackspapillen einfach nur Wurst sein? „Das ist mir Haferschleim!“ ist ein Ausruf, den ich voll unterstützen kann. Aber Wurst ist mir eben nicht nur Wurst.
Andere Nationen haben da schon einen zärtlicheren, verbalen Umgang mit ihrem Essen. So säuselt der verliebte Pariser seiner Angebeten ein „Mon petit chou!“ ins Ohr. Übersetzt heißt das „Mein kleiner Kohl!“, und nicht wie man vermuten würde „Meine kleine Honigschnute!“ oder „Mein süßer Erdbeermund!“ Solch schnöde Banalität kann natürlich auch der plumpe teutonische Geist zusammenschustern. Seine Geliebte jedoch aus der Begriffswelt lagerfähigen Wintergemüses zu umwerben – dahinter steckt ein raffinierter, überraschender Geist. Denn warum sollten lediglich Süßspeisen zur Liebkosung taugen? Locken Sie die Dame Ihrer Gunst doch mal mit einem lasziv dahin gehauchten „Mein essigscharfes Senfgürklein!“ ins Bett. Ich habe mit „Du wildes, heißes Wirsing-Rouladchen!“ schon beachtliche Erfolge in der Frauenwelt gefeiert.
Der Franzose weiß eben, dass man ein Gericht eben auch verderben kann, wenn es sprachlich degradiert und profaniert wird. Natürlich ist ein Schweine-Kotelett mit Pilzen und Kartoffelpuffer ein Schweinekotelett mit Pilzen und Kartoffelpuffer. Aber erst als „Echine de porc et ses champignons des bois accompagnés d’une galette de purée maison“ erhält es wirkliche Raffinesse. Probieren Sie es aus: Essen Sie einmal ein halbes Hähnchen mit Pommes – und dann ein „Poulet rôti avec ses pommes de terre frites à la belge“. Sollten Sie den Unterschied nicht bemerken, verkriechen Sie sich wieder in die Höhle aus der Sie gekrochen sind. Weiterlesen