Apfelkuchen im Jamben-Bett

3. Dezember 2014, 20:09 Uhr

Die deutsche Küche gilt als deftig, schwer und alles in allem recht uninspiriert. Und meiner Auffassung nach nicht ganz zu Unrecht, denn der rohe und achtlose Umgang mit Essen spiegelt sich schon in unserer Sprache wider. Begriffe aus der Welt der Nahrungsmittel werden hierzulande gerne benutzt, um sein Gegenüber zu beleidigen und zu diffamieren. Traurige Beispiele hierfür sind: Suppenkaspar, Hanswurst, Trauerkloß und beleidigte Leberwurst.

Was soll denn dieser Unfug? Wie beleidigt man denn bitte eine Leberwurst, indem man sie pauschal zusammen mit einer Blutwurst in einen Topf wirft? Wie kann eine Tomate treulos sein – oder hat eine Tomate Sie jemals betrogen, sagen wir, mit einer feurigen Paprika? Noch nie ist ein Früchtchen frech zu mir gewesen und noch nie, nie hat eine Zitrone, und war sie noch so sauer, mir gegenüber den nötigen Respekt vermissen lassen. Oder denken Sie an den Ausruf: „Das ist mir Wurst!“ Welch unpassende Phrase, um gleichgültiges Desinteresse auszudrücken! Wie kann der sublime Genuss einer rösch gebratenen Merguez aus zartem Lammfleisch einem Menschen mit einigermaßen funktionstüchtigen Geschmackspapillen einfach nur Wurst sein? „Das ist mir Haferschleim!“ ist ein Ausruf, den ich voll unterstützen kann. Aber Wurst ist mir eben nicht nur Wurst.

Andere Nationen haben da schon einen zärtlicheren, verbalen Umgang mit ihrem Essen. So säuselt der verliebte Pariser seiner Angebeten ein „Mon petit chou!“ ins Ohr. Übersetzt heißt das „Mein kleiner Kohl!“, und nicht wie man vermuten würde „Meine kleine Honigschnute!“ oder „Mein süßer Erdbeermund!“ Solch schnöde Banalität kann natürlich auch der plumpe teutonische Geist zusammenschustern. Seine Geliebte jedoch aus der Begriffswelt lagerfähigen Wintergemüses zu umwerben – dahinter steckt ein raffinierter, überraschender Geist. Denn warum sollten lediglich Süßspeisen zur Liebkosung taugen? Locken Sie die Dame Ihrer Gunst doch mal mit einem lasziv dahin gehauchten „Mein essigscharfes Senfgürklein!“ ins Bett. Ich habe mit „Du wildes, heißes Wirsing-Rouladchen!“ schon beachtliche Erfolge in der Frauenwelt gefeiert.
Kleiner Kohl

Der Franzose weiß eben, dass man ein Gericht eben auch verderben kann, wenn es sprachlich degradiert und profaniert wird. Natürlich ist ein Schweine-Kotelett mit Pilzen und Kartoffelpuffer ein Schweinekotelett mit Pilzen und Kartoffelpuffer. Aber erst als „Echine de porc et ses champignons des bois accompagnés d’une galette de purée maison“ erhält es wirkliche Raffinesse. Probieren Sie es aus: Essen Sie einmal ein halbes Hähnchen mit Pommes – und dann ein „Poulet rôti avec ses pommes de terre frites à la belge“. Sollten Sie den Unterschied nicht bemerken, verkriechen Sie sich wieder in die Höhle aus der Sie gekrochen sind. Weiterlesen

Beerpeace! Über die bedrohte Bier-Diversität in Deutschland

26. September 2014, 17:40 Uhr

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Endlich ist es so weit: Oktoberfest. Man muss die bayerische Gastfreundschaft bewundern. Jedes Jahr aufs Neue laden die Münchner Millionen von Menschen aus allen Ländern der Erde in ihre schöne Stadt ein, damit sie dort lachen, tanzen, trinken, in die U-Bahn speien und an die Bavaria pinkeln!

Für mich als minderbemitteltes Provinz-Ei ist die „Wiesn“, wie der überwiegend asphaltierte Platz unter Einheimischen scherzhaft genannt wird, immer wieder ein Kulturschock. Vor allem was die Preise betrifft: 10,10 Euro für eine Maß Bier! Liebe Münchner, aus was braut Ihr Euer Bier? Aus zentralafrikanischem Regenwasser? Muss ich diesen güldenen Gerstensaft vor dem Genuss erst in einer kristallenen Karaffe dekantieren? Ich kenne Apfelweinstuben im Odenwald, da kann man sich für 10,10 Euro krankenhausreif trinken! Meine Oma hat dem Opa für den Stammtisch immer nur 5 Mark mitgegeben. Mehr gab es nicht. Weil sie wusste, ein Cent mehr und der Mann kommt nie wieder zurück.

Über 7 Millionen Liter Bier werden wohl auch dieses Jahr wieder auf dem Oktoberfest in die dehydrierten Kehlen stürzen. Das sind rund 70 Millionen Euro. Verteilt auf gerade Mal sechs Großbrauereien. Da freuen sich die Aktionäre. Natürlich! Hinter der Maske bayerischen Brauchtums steckt bei vielen Markennamen heute die grinsende Fratze des internationalen Bierkapitals. Ehrwürdige Traditionsbrauereien wie Franziskaner, Spaten und Löwenbräu sind heute nur mehr Potemkinsche Dörfer. Dahinter stehen milliardenschwere Bier-Konsortien. Zum Beispiel Anheuser-Busch InBev, früher bekannt als Interbrew. Das ist der Goliath unter den Mega-Brauereien: 200 Marken in über 140 Ländern. Der Konzern hat eine Unternehmenskultur wie ein Alkoholiker: Er schluckt alles.

Denn auch wenn die Werbeplakate friedliche Gemütlichkeit zwischen Bierbänken und Kastanien im milden Sonnenschein vorschützen: Bier ist heute ein knallhartes Geschäft. Vor allem kleinere und mittlere Brauereien werden entweder von Braugiganten aufgekauft oder müssen einem gnadenlosen Preiskampf weichen, weil Billigbiere zu kriminellen Dumping-Preisen unter das Volk gespült werden. Neulich habe ich im Discounter einen Kasten Oettinger für 3,99 Euro im Angebot gesehen. Irgendwie verstehe ich das sogar. Wer dieses Zeug im Laden hat will es loswerden. Oettinger im Regal ist für viele Zeitgenossen an sich schon ein Lebensmittelskandal. Bitte, an alle Oettinger-Fans, ich möchte hier nicht ausfallend werden: Über Geschmack lässt sich streiten. Mein Vater ist Arzt und sagt, Oettinger ist durchaus ein gutes Bier, wenn man es als warmen Einlauf benutzt. Weiterlesen

Red Bullyversum: Komm, süßer Tod!

27. Juli 2014, 09:58 Uhr

Red Bull, Skydiving, Extremsport © designee.de

––––> In 4000 Meter Höhe: Sobald mein Körper nach vorne kippt, schießt mir das Adrenalin in den Kopf. Adrenalin! Meine Droge, meine Sucht, mein Wahnsinn, mein Kick. Vergiss: Koks, Speed und Crystal Meth! Vergiss Sex. In 4000 Meter Höhe ohne Fallschirm aus einem Flugzeug zu springen, das knallt!

––––> 3500 m: Jaaaaa… Ich bin Peter Möller, der Extremste aller Extremen. Und es ist sooooo krass, ich zu sein. Alle haben mir gesagt, du bist irre, als ich ihnen erklärt habe, ich springe ohne Schirm. Ok, ich gebe zu, das haben andere auch schon gemacht. Aber noch nie mit einem Fahrrad! Ja, ich habe ein BMX-Bike zwischen den Beinen. Hahaha… Was sagt ihr jetzt? Ich sage: Wenn du wirklich an etwas glaubst, ist alles möglich. Grenzen erweitern. Wie weit kannst du gehen? Darum geht es! Das ist es!

––––> 3000 m: Ich drehe meinen Helm in Richtung Kameras. Dort prangt das Logo von RedBull. Überall steht RedBull: auf dem Anzug, auf den Handschuhen, auf dem Bike, überall. Ein roter RedBull-Button wurde sogar auf meine Unterhose genäht. Ich hätte mir ja einen roten Stier auf den Schniedel tätowiert, wenn meine Frau nicht rumgezickt hätte. Alle sollen es sehen: Live Schaltung in 12 Ländern. Ich bin so geil! Und Ihr von RedBull seid die Allergeilsten! Ich danke Dir, RedBull. Ich danke Dir. Ich bete Dich an. Dietrich Mateschitz, Chef aller Redbuller, ich möchte ein Kind von Dir!

––––> 1500 m: Mein Kumpel Conky Insane kommt mit dem Fallschirm auf mich zu. Es wird Zeit. Er klammert sich wie ein Koala-Baby auf meinen Rücken und beginnt mir den Fallschirm umzuschnallen. Wir sind ein eingespieltes Team. Das Ding sitzt. Ich schlage mit meinem BMX-Rad noch eine paar flippige Dreifach-Saltos. Für noch mehr Klicks auf dem RedBull-TV-Kanal. Geil!

––––> 1000 m: Ich ziehe die Leine. Der Fallschirm öffnet sich. Geil! Geil! Geil!

––––> 950 m: Oh, Ich habe mein Fahrrad verloren.

––––> 900 m: Ach, Menno! Irgendwie ist das Bike genau durch die Mitte meines Fallschirms gerauscht. Statt „RedBull“, steht da jetzt nur noch „ull“. Na, super! Weiterlesen

27. Mai 2014: Kabarett meets Lesung!

1. April 2014, 19:22 Uhr

© designee.de & brikettfilm.de
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Buchpräsentation:
RAGOUT VOM MAMMUT
12 aberwitzige Kochgeschichten
TreTorri Verlag

Dienstag, 27. Mai, 19:30 Uhr
Vereinsheim München, Occamstr. 8, 80802 München
Karten: www.vereinsheim.de

Der Kabarettist Philipp Weber und die Künstlerin Inka Meyer erzählen eine aberwitzige Kulturgeschichte des Kochens. Hier werden endlich die letzten Geheimnisse der Gastronomie enthüllt: Wie blanchiert man ein Mammut? Was gab es beim letzten Abendmahl wirklich? Wie brachte Giacomo Casanova seine Geliebten zum Kochen? Und was war die erste warme Mahlzeit am Nordpol? Dieser Abend dreht sich rund um merkwürdige Rezepte, vergessene Köche und geheim gehaltene Küchenskandale.

INKA MEYER… In ihrem Münchner Ein-Frau-Betrieb ist sie selbstständig tätig als Art-Direktorin und Illustratorin. Mit gleicher Leidenschaft ist die „Allrounderin“ parallel als ausgebildete Schauspielerin zu sehen, z.B. in ihrer selbst verfassten Dramödie: „Kill me, Kate! Die gezähmte Widerspenstige“.

PHILIPP WEBER… Seine Programme zum Thema Ernährung und Verbraucherschutz sind eine satirische Magenspiegelung der Gesellschaft. Er ist Träger des Deutschen Kabarettpreises, Bayerischen Kabarettpreises und Deutschen Kleinkunstpreises. Philipp Weber und Inka Meyer leben und essen in Tübingen und München.

Appetizer: Philipp und Inka im Interview mit Barbara Zahn auf Bayern2-Favoriten!

Spart Wasser – bleibt nackt!

12. Februar 2014, 15:18 Uhr

© weberphilipp.de

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Laut der Vereinigung Deutscher Gewässerschutz verbraucht der Deutsche mehr als 4000 Liter Wasser am Tag. Das kann man fast nicht glauben, oder? Ich hätte meinen persönlichen Verbrauch heute auf 70 oder 80 Liter geschätzt. Und zu meiner Studentenzeit lag der Wasserbedarf unserer gesamten Wohngemeinschaft bei höchstens 40 Liter. Verteilt auf drei Mann in zwei Semestern. Klar, Wasser haben wir nie getrunken, das dreckige Geschirr wurde Ende des Monats im Altglascontainer entsorgt und die Wäsche … Naja, so oft ist die Mama ja auch nicht vorbei gekommen. Heute bin ich zivilisierter im Umgang mit Wasser. Aber 4000 Liter?

Dazu muss man wissen: Den größten Teil des täglichen Nasses verbrauchen wir heute virtuell. Als „virtuelles Wasser“ wird das Wasser bezeichnet, das zur Herstellung von Konsumgütern benötigt wird. Das meiste Wasser kommt bei uns also nicht aus dem Hahn, sondern aus dem Einkaufwagen:
• 1 Liter brasilianischer Orangensaft = 22 Liter
• 1 Kilo spanische Tomaten = 40 Liter
• 1 Pfund Kaffee = 600 Liter
• 500g-Packung Rinderhack = 7500 Liter
Und schon schiebt man einen ganzen Swimmingpool vor sich her. Es ist erschreckend: Für ein Kilo Papier werden in der Herstellung ca. 2000 Liter Wasser verwendet. Das heißt, bei einem ungefähren Gewicht von 0,5 Gramm komme ich auf einen Wasserverbrauch von 1 Liter Wasser pro Blatt. Und wir reden hier nur von 1-lagigem Toilettenpapier. Es gibt ja auch 5-lagiges Toilettenpapier. Stellen Sie sich mal vor: Wenn Sie fünf Blatt 5-lagiges Toilettenpapier verwenden und Ihr Spülkasten zehn Liter umfasst, benötigen Sie 35 Liter Wasser, um 200 Gramm Kot durch die Kanalisation zu jagen. Das entspricht der Menge von vier Kästen Mineralwasser! Bei der Vorstellung würde ein Kamel in der Wüste Selbstmord begehen. Was für ein ökologischer Wahnsinn! Wenn Sie Wasser sparen wollen, dann bitte sparen Sie am Toilettenpapier und nicht beim Spülen. Wir Deutschen sind so versessen auf Wassersparen beim Spülen, dass die Kommunen zunehmend Probleme haben, weil die ganz Sch… in der Kanalisation stecken bleibt. Klar, man muss nicht auf jedes Häufchen die Niagarafälle runterprasseln lassen. Aber das ist schließlich gutes Trinkwasser. (Auch so ein Wahnsinn. Trinkwasser in der Toilette. Ich komme aus einem sehr ländlichen Gebiet in Bayern, wenn man früher am falschen Tag in den Fluss geschissen hat, wurde man vom Bierbrauer erschossen.) Weiterlesen

DURST – Warten auf Merlot

28. Januar 2014, 09:49 Uhr

Hallo liebe Leser,

Ja, es ist so weit! Nach drei Jahren intensiver Beschäftigung mit dem Essen, heftigem Wiederkäuen moderner Ernährungssünden und beständigem Verbeißen in die Vergehen der Lebensmittelindustrie, habe ich mich nun einem vollkommen neuen und anderem Thema zugewandt: dem Trinken. Denn wer mich nicht kennt, dem muss ich hier gestehen, ich verdiene den größten Teil meiner Brötchen nicht mit der hohen Kunst des Schreibens, sondern mit dem volksnahen Handwerk des Späßemachens. Und mein neues Kabarettprogramm heißt: „Durst – Warten auf Merlot“. Wenn Ihr wissen wollt, worum es darin geht und wie es sich anhört: Der großartige Thomas Koppelt vom Bayrischen Rundfunk hat ein kleines Feature darüber gemacht. Doch keine Angst! Dieser Futterblog wird kein Durstblog, er wird nur um eine flüssige Komponente erweitert.

Dann Mahlzeit, Prost und lustiges Lauschen!
Euer Philipp

Buchankündigung: Philipp Webers aberwitzige Kochgeschichten

23. Dezember 2013, 13:07 Uhr

Ragout vom Mammut

Die ersten Zeugnisse menschlicher Kultur sind Gegenstände wie Messer, Speer und Axt, folglich alles Geräte, die dem Erwerb und der Zubereitung von Nahrung dienen. Denn bevor unsere Vorfahren höhere, kulturelle Leistungen vollbringen konnten, mussten sie erst einmal ihre unmittelbaren Bedürfnisse wie Hunger und Durst befriedigen. Und wer schon mal von seiner Frau mit knurrenden Magen zur Matthäus Passion gezerrt wurde, weiß sicher: Erst kommt das Fressen, dann der Choral. Doch durch die stete Verbesserung seiner Jagd- und Gar-Methoden hatte der Mensch irgendwann Zeit und Muse, sich bei vollem Magen im leuchtenden Schein eines prasselnden Feuers und mit dem Kohlestift in den fettigen Fingern den höheren Künsten zu widmen. Man könnte auch sagen: Das Paläolithikum war die durchaus gesegnete Zeit, in der technische Entwicklung und zivilisatorischer Fortschritt harmonisch Hand in Hand gingen. Heute herrscht, wie Theodor Riesenschmarrn Adorno und Max Murxheimer in ihrer Frankfurter Kochschule lehrten, die Dialektik der Aufwärmung. Der Mensch benutzt technische Errungenschaften primär zur Perfektionierung von Gewalt und zur Barbarisierung der Esskultur. 1945 wurde zum Beispiel der Mikrowellenherd erfunden, und wir wissen, welch schwerwiegenden Ereignisse in diesem Jahr die menschliche Zivilisation erschüttert haben: Hiroshima und die Geburt von Mireille Mathieu! Weiterlesen

777 Siegel

6. November 2013, 12:39 Uhr

777 Siegel

Die Redewendung „Das ist ein Buch mit sieben Siegeln“ findet im Allgemeinen Anwendung, wenn Menschen ihr absolutes Unverständnis gegenüber einer sehr komplexen Thematik ausdrücken wollen. Im Grunde bezieht sie sich auf die Offenbarung des Johannes. Dort bricht Christus die sieben Siegel einer Buchrolle und lässt die apokalyptischen Reiter auf die Menschheit los. Ich denke mir oft: Welchen Spaß hätte Jesus in einem deutschen Supermarkt. Denn das ist ein Ort nicht mit sieben, sondern mit über 777 Siegeln: Biosiegel, Gütesiegel, Fairtradesiegel, Prüfsiegel, Umwelt- und Herkunftssiegel und viele mehr…

Jede Milchtüte trägt heute mehr Buttons als der Anzug eines Formel-1-Fahrers. Es gibt alles: Ein „Zahnmännchen“ zeichnet Parodontose vereitelnde Süßigkeiten aus. Ein Vegetarier-Label erklärt die Pizza Vegetariana zur fleischfreien Zone. Ein Öko-Wein-Siegel garantiert, dass Ihre Leber biologisch und pestizidfrei nur vom Alkohol geschädigt wird. Alles kann man natürlich nicht haben. Wenn ein Halalsiegel versichert, dass dem Rind beim Schächten sauber die Kehle durchgeschnitten wurde, ist eine Auszeichnung durch den deutschen Tierschutzbund eher unwahrscheinlich. Manche Siegel wirken auf den ersten Blick ein bisschen befremdlich: Kartoffelknödel mit „100 Prozent deutschen Kartoffeln“. Da will man zum Kochen gleich die Pickelhaube aufsetzen. Ich bin auch für regionale Produkte, aber man muss seinen protektionistischen Patriotismus nicht so in die Welt hinausposaunen. Wir wollen doch nicht, dass das Projekt Europa an Kartoffelknödeln scheitert. Weiterlesen

WG-Leben: Der Kühlschrank des Grauens

18. September 2013, 20:04 Uhr

© www.designee.de

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Beim Schreiben für mein neues Programm „DURST – Warten auf Merlot“ fiel mir dieses Fundstück aus meiner WG-Zeit zwischen untergeordneten Unterordnern meiner Festplatte in die Finger: „Der Kühlschrank des Grauens“. Meiner ehemaligen WG zur Erinnerung – und künftigen Wohngemeinschaften zu Mahnung!

Wir wussten alle: Es war Wahnsinn, was sich Jörg vorgenommen hatte. Ich persönlich hatte nicht geglaubt, dass er es wirklich tun würde. Vielleicht wollte ich es auch einfach nicht wahrhaben. Aber wie Jörg an diesem Abend in der Küche stand mit diesem entschlossenen, undurchdringlichen Gesichtsausdruck, dem Putzlumpen in der Linken und den Eimer in der Rechten, da wusste ich es: Dieser Mann macht Ernst. Birgit war den Tränen nahe und zog hektisch mit feucht glänzenden Augen an ihrer Zigarette. „Scheiße, Jörg“, fuhr sie ihn an, „musst du denn immer den Helden spielen?“

Doch unser Mitbewohner war schon in einer anderen Welt. Er drehte uns den Rücken zu und tastete sich wie auf dünnem Eis zu dem beige-gelblich schimmernden Kasten vor, der höhnisch und bösartig zu uns herüber zu grinsen schien. Den Stecker hatte Jörg schon vor Stunden aus der mit Ravioli-Sauce verkrusteten Steckdose gezogen und mittlerweile begann sich langsam, eine schmierige, urinfarbige Pfütze auf dem Vinylboden zu bilden. Wie ein Sumoringer baute Jörg sich vor seinem Gegner auf: dem Kühlschrank. Weiterlesen

Klon-Schnitzel und Läuse-Hack: Unser Fleisch und seine Zukunftsperspektiven

14. August 2013, 13:07 Uhr

Zukunft des Fleisches

© Inka Meyer, designee.de

Die moderne Fleischproduktion stellt in vielerlei Hinsicht ein großes ökologisches und ethisches Problem dar. Dieses Faktum ist allgemein bekannt. Forscher versuchen deshalb seit einigen Jahren sehr eifrig, eine saubere Alternative zum herkömmlichen Fleischkonsum zu finden. Die einfachste Lösung wäre selbstverständlich, wenn wir Steaks wie Pilzkulturen in der Petrischale züchten könnten. Das würde natürliche Ressourcen schonen, und kein Tier müsste mehr sterben. Tatsächlich berichtete der Spiegel schon 2001 von dem Dermatologen Wiete Westerhof an der Universität Amsterdam, der an einem Verfahren zur Herstellung von Kunstfleisch aus tierischen Stammzellen forschte. Kurz darauf arbeiteten weltweit über zwanzig Labors fieberhaft am Schnitzel aus der Retorte. Schließlich verkündete ein gewisser Mark Post, ebenfalls Niederländer, Ende 2012, das erste Stück Kunstfleisch öffentlich zu grillen. Der Mann ist übrigens auch Mediziner. Ich weiß nicht, warum holländische Ärzte versuchen, ihr Einkommen mit Science-Fiction-Metzgerei aufzubessern, doch offensichtlich scheint das niederländische Gesundheitssystem in einer tiefen Krise zu stecken.

Um die Muskelfasern kaufertig zu bekommen, muss das Kunstfleisch übrigens mit kleinen Stromschlägen immer wieder zur Kontraktion gebracht, also quasi vor dem Verzehr trainiert werden. Das erinnert mich ein bisschen an Doktor Frankenstein. Hat der nicht auch mit Antennen auf dem Dach Blitze aus Gewitterwolken gefischt und damit toten Körperteilen Leben eingehaucht? Wer weiß, vielleicht springt irgendwann mal eine ganze Kuh aus dem Reagenzglas. Was natürlich nicht Sinn der Geschichte ist, denn die müssten wir dann auch wieder schlachten. Weiterlesen