Klon-Schnitzel und Läuse-Hack: Unser Fleisch und seine Zukunftsperspektiven

14. August 2013, 13:07 Uhr

Zukunft des Fleisches

© Inka Meyer, designee.de

Die moderne Fleischproduktion stellt in vielerlei Hinsicht ein großes ökologisches und ethisches Problem dar. Dieses Faktum ist allgemein bekannt. Forscher versuchen deshalb seit einigen Jahren sehr eifrig, eine saubere Alternative zum herkömmlichen Fleischkonsum zu finden. Die einfachste Lösung wäre selbstverständlich, wenn wir Steaks wie Pilzkulturen in der Petrischale züchten könnten. Das würde natürliche Ressourcen schonen, und kein Tier müsste mehr sterben. Tatsächlich berichtete der Spiegel schon 2001 von dem Dermatologen Wiete Westerhof an der Universität Amsterdam, der an einem Verfahren zur Herstellung von Kunstfleisch aus tierischen Stammzellen forschte. Kurz darauf arbeiteten weltweit über zwanzig Labors fieberhaft am Schnitzel aus der Retorte. Schließlich verkündete ein gewisser Mark Post, ebenfalls Niederländer, Ende 2012, das erste Stück Kunstfleisch öffentlich zu grillen. Der Mann ist übrigens auch Mediziner. Ich weiß nicht, warum holländische Ärzte versuchen, ihr Einkommen mit Science-Fiction-Metzgerei aufzubessern, doch offensichtlich scheint das niederländische Gesundheitssystem in einer tiefen Krise zu stecken.

Um die Muskelfasern kaufertig zu bekommen, muss das Kunstfleisch übrigens mit kleinen Stromschlägen immer wieder zur Kontraktion gebracht, also quasi vor dem Verzehr trainiert werden. Das erinnert mich ein bisschen an Doktor Frankenstein. Hat der nicht auch mit Antennen auf dem Dach Blitze aus Gewitterwolken gefischt und damit toten Körperteilen Leben eingehaucht? Wer weiß, vielleicht springt irgendwann mal eine ganze Kuh aus dem Reagenzglas. Was natürlich nicht Sinn der Geschichte ist, denn die müssten wir dann auch wieder schlachten.

Im Moment wird das Laborfleisch aus Stammzellen von Rindern, Schweinen oder Hühnern gezüchtet. Aber den Forschern ist es auch gelungen, Muskelfasern von Kängurus, Walen und Langusten zu vervielfältigen. Im Grunde kann man jedes Tier benutzen. Gerade für Gourmets und Extremesser eröffnen sich da völlig neue Möglichkeiten. Dann kann man trotz Artensterbens anfangen, mit gutem Gewissen Pandabären, Nashörner und Flussdelfine zu futtern. Vielleicht gelingt es irgendwann, das Genom von Dinosauriern zu isolieren und ein Brontosauriersteak zu züchten? Meat Design, das ist die Zukunft. Sogar Kannibalen könnten auf diese Weise sozialverträglich in die Gesellschaft integriert werden.

Doch bevor wir voreilig in Euphorie verfallen: Mark Post hat kürzlich der Presse gestanden, dass die Herstellung seines Hamburgers derzeit eine Viertelmillion Euro verschlungen hat. Sollte er ein Fast-Food-Restaurant eröffnen, könnten sich nur Bill Gates oder der Scheich von Dubai ein Super-Sparmenü leisten.

Klonfleisch in großem Stil und preiswert zu produzieren scheint also noch Zukunftsmusik zu sein. Doch die Zeit drängt. Die Weltbevölkerung wächst, und die Mägen der Massen knurren grimmig nach Wurst. Da müssen Alternativen her. Und ein Trend zeichnet sich dabei ganz deutlich ab. Doch wie bereite ich Sie am schonendsten darauf vor…? Stellen Sie sich eine kleine Plastikschachtel mit durchlöchertem Deckel vor, unter dem man emsiges Kratzen, Krabbeln und munteres Zirpen hört… Das könnte in einigen Jahren Ihr Lunchpaket sein! Denn wenn es nach einigen Insektenforschern ginge, können auch die kleinen Krabbler dazu beitragen, den wachsenden Hunger nach tierischem Protein zu stillen. Bei circa 2,5 Milliarden Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika sind Käfer und Würmer bereits fester Bestandteil der Nahrung. Jetzt sollen auch Kulturen, die bisher Kerbtiere als Nahrung hysterisch abgelehnt haben, auf den Geschmack kommen. Vielleicht müssen sie es einfach: Die Welternährungsorganisation FAO stellte kürzlich streng fest, dass die Menschen an Insekten gar nicht mehr vorbeikommen werden. Sieben Milliarden Menschenkinder wollen satt werden. Da müssen auch Fliegenklatschen zur Jagd nach Futter herhalten.

Außerdem weisen Ernährungswissenschaftler darauf hin, dass Insekten energiereiche und gesunde Lebensmittel sind. Sie sind fast frei von Kohlenhydraten, äußerst fett- und cholesterinarm, reich an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen. Was allein der Chitinpanzer einer Heuschrecke an Ballaststoffen zu bieten hat, stellt jedes Birchermüsli in den Schatten. Außerdem ist die Aufzucht von Insekten umweltverträglich: Sie verbrauchen weniger Wasser als herkömmliches Vieh, lassen sich auf kleinstem Raum züchten und sind besser für das Klima. Denn ein Schwein produziert hundertmal mehr Treibhausgase pro Kilogramm Wachstum als ein Mehlwurm. Wobei ich gar nicht gewusst habe, dass die so groß werden können! Außerdem setzen Insekten viel schneller Fett an. Im Vergleich zu einem Mehlwurm ist eine Mastsau ein magersüchtiger Teenager.

Wobei erste Skeptiker die Euphorie dämpfen und vor Massenhaltung auch bei Kriechtieren warnen: „Wir wissen nicht, von welchen Krankheiten diese Tiere befallen werden und welche Hygieneprobleme wir uns bei einer Massenproduktion einfangen“, argumentiert Prof. Dr. Wilhelm Windisch vom Lehrstuhl für Tierernährung an der TU München. Stellen Sie sich mal diese Schlagzeile vor: „Kakerlaken-Skandal in Käfer-Farm.“ Das schafft einige Verwirrung beim Verbraucher.

Doch der Trend ist nicht mehr aufzuhalten. Vor allem in Thailand hat die professionelle Käferzucht bereits begonnen. Laut FAO betreiben etwa 15 000 Menschen mit einfachsten Mitteln kleine Insektenfarmen. Die Produktionskosten sind relativ überschaubar. Man darf kein Glatzkopf sein, verzichtet konsequent auf jegliche Form von Haarpflege, knuddelt hier und da mal einen Straßenköter, und schon hat man sein eigenes kleines Läusegehege auf dem Kopf. In Asien stellen Insekten kein Arme-Leuteessen dar: Alle sozialen Schichten lieben die kleinen, knackigen, knusprigen Dinger. Auch ich habe einmal in Bangkok eine frittierte Heuschrecke gegessen, und ich muss sagen, ich fand es weder ästhetisch noch geschmacklich ekliger als meine erste Gabel Ochsenmaulsalat. Wenn man den ersten Abwehrreflex überwunden hat, kann man wirklich auf den Geschmack kommen. Auch in Deutschland gibt es schon Internet-Shops für essbare Insekten. Bei „Braidy Snack“ kann man sich von Seidenwürmern über Rhinokäfer all das ins Haus schicken lassen, wofür man früher den Kammerjäger geholt hätte. Denn aus kulinarischer Sicht haben Insekten einen entscheidenden Vorteil: Sie sind unglaublich abwechslungsreich. Es gibt weltweit mehr als 1400 essbare Insektenarten. Da wartet ein entomologisches Schlaraffenland auf uns. Die Viecher heißen nicht umsonst Grillen. Warum sollte man nicht Silberfische in Konserven anbieten wie Ölsardinen? Es haben sogar schon die ersten Insektenrestaurants aufgemacht. Das wäre doch ein Menü für den Hochzeitstag: Maikäferschaumsüppchen, Frühlingssalat mit Raupen-Croutons, Hirschkäfergulasch und zum Abschluss flambierte Skorpione mit Honigbienenmus. Herrlich! Und wenn in Zukunft ein Arbeitskollege sagt, er hat Schmetterlinge im Bauch, ist er nicht verliebt, sondern kommt aus der Kantine.

Wir fassen zusammen: Entweder finden wir unsere Bulette künftig in der Petrischale oder im Komposthaufen. Wieder ein paar Gründe, seinen Fleischkonsum etwas zu überdenken.

Dieser Artikel ist ein Auszug aus Philipp Webers satirischem Ernährungsratgeber „Essen kann jeder“ (erschienen im Blessing Verlag, ISBN: 978-3-89667-493-7)

2 Kommentare

  1. Eva Scholl – 27. November 2013, 17:41 Uhr

    bin begeistert !
    nur Vorsicht bitte, Hirschkäfer sind geschützt.
    Maikäfer und Raupen könnten schon vom Schädlingsbekämpfer „vorbehandelt“ sein. Bei diesen Exemplaren empfiehlt sich, vor dem Verzehr das Sicherheitsdatenblatt des verwendeten Präparats zu studieren. Wer die isst, kann vielleicht die Empfängnisverhütung aussetzen oder auf die Zigarette danach verzichten.
    Gruß epha

  2. Jenni – 23. Dezember 2013, 23:40 Uhr

    Wenn ich eines aus ihren Texten gelernt habe, dann ist es das mann bei großen Firmen immer skeptisch sein soll.
    Habe von einem Projekt erfahren das Menschen in Not Wissen und Hilfsmittel an die Hand gibt sich selbst zu ernähren. Hörte sich nach einem vernünftigen Ansatz an, getreu dem Spruch: „Gebe einem Mann einen Fisch und er isst für einen Tag, lehre ihn zu fischen und er wird sich selbst ernähren können.“

    Ich rede von Heifer International. Diese Organisation vermittelt Vieh an Bedürftige. Die aufwändig gestaltete Webpage lässt den Eindruck entstehen das Betroffene Familien immer eine Wendung zum besseren hinlegen. Mich würde interessieren in wie weit das zutrifft. (Große Firmen haben nicht selten Hintergedanken auch wenn ich glauben möchte das dieses Projekt aus erhlichem Mitgefühl entstanden ist.)

    Auf Kritik am System stößt man schon nach kurzer recherche: Trägt das ökosystem des Nutztier-Empfängers die zusätzliche Last? Kann der Empfänger sich nachhaltig um die Tiere kümmern? Wie wir ja wissen verbrauchen gerade Rinder unmengen an Wasser und Futter. Oder ist den Gemeinden wirklich geholfen?

    Lieber Herr Weber, falls Sie sich jemals mit diesem Thema befassen sollten würde es mich freuen zu hören/zu lesen was Sie in Erfahrung bringen konnten.

    (P.s.: Für den Fall das Sie eine Bestätigung brauchen das ihr Tun Leute zum nachdenken anregt:
    Ihr Beitrag zum Blauen „weihnachtsengel“ war der letzte Anstoß den ich benötigt habe um mir anzugewöhnen mir mein Frühstück vom Bäcker in eine mitgebrachte Tupperdose geben zu lassen anstatt es in Papiertüten packen zu lassen. Sind immerhin zehn Tüten die Woche die durch meine Futterbox eingespart werden. Die Inhaber des Betriebs fanden es gut. In einem Gespräch mit der Cheffin fand ich heraus das Sie sogar eine Art Gebühr für das „in umlauf bringen von Papiermüll“ zu zahlen hätten.
    Mal schauen was ich auf meiner Arbeit hinsichtlich der Müllvermeidung tun kann; und ja, ich bin mitunter auch für das runtertragen des Papiermülls zuständig :D )

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