Ehret Julius Maggi – ein Hoch auf die Lebensmittelchemie!

6. September 2011, 08:18 Uhr

Maggieflasche

Dies ist die größte Maggi-Flasche Europas. Die Bürger von Kronberg im Taunus haben dieses imposante Gebilde als charmante Geste anlässlich meines Gastspiels in ihrer schönen Stadt errichtet. Das Gefäß ist 20 Meter hoch, 5 Meter breit und reicht zum Würzen von 3,4 Milliarden Tellern Suppe. Ich finde, dieses klare Bekenntnis zu dem wohl prominentesten Erzeugnis der deutschen Lebensmittelindustrie mutig und bewundernswert. Denn bei aller berechtigter Skepsis gegenüber künstlich erzeugter Nahrung sollten wir nicht vergessen: Die Lebensmittelchemie hat sich um die Menschheit verdient gemacht. Visionäre wie Julis Maggi und Justus von Liebig waren nicht nur Meister ihres Fachs, sie waren darüber hinaus auch soziale Pioniere. Ende des 19. Jahrhunderts war die Ernährungslage der Fabrikarbeiter katastrophal. Die Arbeiterinnen fanden nicht mehr genug Zeit zum Kochen, es wurde entweder gar nicht warm gegessen oder der Hunger im Alkohol ertränkt. Mangelerkrankungen, Unterernährung und hohe Kindersterblichkeitsraten waren die Folgen dieser Misere. Erst Justus von Liebigs wasserlöslicher Fleischextrakt ermöglichte es den einfachen Arbeitern sich eine schnelle, billige, warme und nahrhafte Mahlzeit zuzubereiten. Und ich möchte nicht wissen, wie viele arme Studenten im Examensstress noch heute über ihren Schreibtischen verhungern müssten, gäbe es nicht die schnell überbrühbaren Segnungen eines Julius Maggi, denn dieser schuf mit seinen Würzmitteln auf Basis von Leguminosenmehl erst die Grundlage der modernen Tütensuppe.

Aber auch in der Wissenschaft hat sich die deutsche Lebensmittelchemie ihre Lorbeeren verdient. So stattete ein bedeutendes Heilbronner Unternehmen Ende des 18. Jahrhunderts Expeditionen in die Antarktis mit ihren Erzeugnissen aus. Es ist erstaunlich, aber die erste warme Mahlzeit am Nordpol war wohl eine Erbsensuppe aus dem Hause Knorr. Auch heute noch wäre die moderne Raumfahrt ohne Instantnahrung und Fertiggerichte gar nicht möglich. Oder versuchen Sie mal bei absoluter Schwerelosigkeit einen Pfannkuchen zu wenden.

Ich sage es, wie es ist. Die Welt der Lebensmittelchemie ist eine „Welt der Wunder“. Ein befreundeter Lebensmittelchemiker hat mir erklärt: Damit eine Frühstücksflocke nach fünf Minuten Milchbad immer noch „crunchy“ ist (Anmerkung: „crunchy“ ist eine Mischung aus „crispy“ und „cracky“, aber mehr Richtung „rösch“) und nicht als schleimiger Weizenbrei zerfließt, braucht es einen so immensen Aufwand. Also, rein technisch betrachtet sind die Amis im Jahr 1963 mit weniger Know-how zum Mond geflogen. Man kann sogar sagen: Die Entwicklung eines Landes erkennt man an seinen Frühstücks-Flocken. Nordkorea hat vielleicht die Atombombe, aber bei modernen Weizenflocken hinkt es Meilen hinterher. Zumal die Nordkoreaner dafür natürlich erst einmal Weizen bräuchten…

Außerdem will ich ganz ehrlich sein: Wenn ich mal wieder wochenlang auf Tour nur im Restaurant gegessen habe, ich abgefüllt bin mit schweren Bratensäften, Weinschaumsüppchen und edlen Burgundern und der Bauch voll ist mit Soufflé, Haché und Sorbet, dann sehne ich mich einfach nur nach einer Portion Ravioli, die ich lauwarm und glibberig direkt aus der Dose löffele.

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2 Kommentare

  1. Uwe – 9. September 2011, 21:54 Uhr

    MOOOOMENT mal!

    Um es vorweg zu nehmen, Herr Weber: ich finde Ihre Kommentare eigentlich super!

    ABER:
    mit Zahlen, Daten und Fakten scheinen Sie es ab und an nicht „so ganz genau“ zu nehmen!
    a) Die Amis waren zum ersten Mal nicht 1963 auf dem Mond, sondern 1969 – selbst wenn Sie vorherige bemannte „Vorbeiflüge“ einrechnen, wird das nix mit ’63!

    b) So stattete ein bedeutendes Heilbronner Unternehmen Ende des 18. Jahrhunderts Expeditionen in die Antarktis mit ihren Erzeugnissen aus.
    Und eben dieses Unternehmen hält (irgendwie) dagegen mit: Die Geschichte von Knorr beginnt 1838 mit der Gründung eines „Specerei-Waarengeschäfts“ durch Carl Heinrich Knorr in Heilbronn. Wie also kann eine Firma, die 1838 gegründet wurde, bereits 1700irgendwas Expeditionen in die Antarktis unterstützt haben?

    Noch erstaunlicher finde ich dann aber den nächsten Satz „Es ist erstaunlich, aber die erste warme Mahlzeit am Nordpol war wohl eine Erbsensuppe aus dem Hause ….“
    HÄ? Was nun? Erbsensuppe mit Pinguineinlage (in der Antarktis) oder aber Erbsensuppe mit Eisbärschinkenwürfeln (am Nordpol)? Aber einerlei, es war ja ohnehin frühestens Ende des 19ten, Anfang des 20sten Jahrhunderts, als die Erforschung der Pole in Schwung kam. Da war Ihre Suppe dann schon 100 Jahre (k)alt. Irgendwie auch ein Fortschritt…….

    Schöne Grüße!

  2. Philipp Weber – 30. September 2011, 11:11 Uhr

    Ups, da haben Sie aber recht. Der Satz muss natürlich lauten: „…Ende des 19. Jhd Expeditionen…“ Und ob „Arktis“ oder „Antarktis“? In meinen Unterlagen finde ich zugegebenermaßen auch nur den Hinweis auf „Polarexpeditionen“. Welcher Pol es genau war, weiß ich gar nicht. Aber ich will nichts beschönigen. Ich gebe zu, dass ich in meinem schöpferischen Drange etwas von der Spur abgekommen bin und mein dichtender, vorwärts strebender Geist, nicht mehr genau wusste, ob jetzt ein Pinguin oder ein Eisbär an mir vorbei gerauscht ist. Und dass ein Mensch, der erfüllt von heiligem Eifer sich durch das Dickicht der Weltdeutung schlägt, nicht mehr genau weiß, auf welcher Seite des Planeten er sich gerade befindet ist auch menschlich. Wenn ein edler Recke wie Sie in diesem Moment gerufen hätte: „Philipp, halte ein und beachte deinen Weg!“ Ich verspreche Ihnen, Ihre Maßregelung wäre nicht notwenig gewesen.

    Und die Sache mit dem Mond… O.K, das war einfach nur sau dämlich von mir. Dennoch möchte festhalten, dass die grundsätzliche Tatsache, dass diese Pionier-Produkte der frühen Lebensmittelchemie bei vielerlei Expedition dabei waren, absolut der Richtigkeit entspricht. Solcherlei Wissen habe ich aber natürlich auch nur aus Büchern. Ich bin über dieses Faktum eher in einem Nebensatz eines Werkes über Lebensmittelchemie gestolpert und habe es nicht weiter überprüft, weil das Behauptete sehr glaubwürdig klang. Sein Stellenwert war eher eine kurze heitere Randnotiz – mehr von humoristischem als von wissenschaftlichem Wert.

    Gegen eine Generalisierung, dass ich es mit „Zahlen, Daten, Fakten“ nicht genau nehme, möchte ich mich wehren. Ich mache einen satirischen Blog über das Thema Essen. Und in einem satirischen Text werden „Zahlen, Daten, Fakten“ manchmal freier assoziiert, sonst ist es ja nicht komisch. Doch ich denke, der aufmerksame Leser ist fähig, das Substanzielle von dem humoristischen Zierrat zu unterscheiden. Und bei Fakten von wissenschaftlicher Relevanz nehme ich es wirklich genau. Natürlich im Rahmen meiner Möglichkeiten, denn ich bin kein praktizierender Wissenschaftler und kann auch nur auf Literatur zurückgreifen. Obwohl ich mich als studierter Biologe und Chemiker erdreiste zu beurteilen, ob das Gelesene in meinem Hirn plausibel klingt. Für Korrekturen in dieser Hinsicht, bin ich wirklich dankbar.

    Aber Sie haben recht. Ich werde mich ab sofort befleißigen auch in geographischen und geschichtlichen Dingen mehr Genauigkeit walten zu lassen. Und damit ich das erwürdige Volk der Blogger nicht durch meine Anwesenheit im Netz beschäme, habe mich deshalb selbst zu einem mehrtägigen Nachsitzen im deutschen Museum verdonnert.

    Ich hoffe damit, sind der Wissenschaft und meiner Ehre wieder Genüge geleistet.

    Demütigst, Philipp Weber

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