Der schönste Weihnachtsengel ist blau

15. Dezember 2012, 19:24 Uhr


Ich möchte allen meinen Lesern eine gesegnete Weihnachtszeit wünschen. Mögen die Kräfte des Himmels Sie und Ihre Familie beschützen und die besinnliche Zeit Sie mit Freude und Zufriedenheit erfüllen. Doch vor allem wünsche ich Ihnen Glück. Viel Glück! Denn Sie können es gebrauchen… Der Advent ist eine Zeit höchster Gefahr. Doch will ich Ihre Vorfreude nicht trüben, sondern im Gegenteil: Genießen Sie Ihr Fest in vollen Zügen… Es könnte schließlich Ihr Letztes sein.

Denn für unsere Gesundheit ist die Adventszeit eine Katastrophe. Die Ankunft des Herrn wird begleitet von einer dämonischen Schar von Giftstoffen, die jeden Toxikologen das Blut in den Adern gefrieren lässt: Glühweinverkäufer treiben dich mit überzuckertem Ethanol ins Delirium, Lebkuchenbäcker verderben dich mit aromatischen Ölen durch eine Überdosis Zimt und Anis, Kerzen nebeln dich auf Schritt und Tritt in Parafin ein, und noch in der Christmesse versucht dich der Pfarrer mit polyphenolischen Dünsten auszuräuchern… Ich weiß, Weihrauch war ein Geschenk der Heiligen Drei Könige. Aber wenn Sie wüssten, was bei der Verbrennung von Baumharz für Substanzen entstehen, würden Sie sich nur wundern: Wie hat das Christkind die Heilige Nacht überhaupt überlebt?

Selbst über Adventskalender kriecht das Gift schon in unsere Eingeweide. Stiftung Warentest hat ja gerade Mineralöl-Rückstände in der Schokolade von Adventskalendern gefunden. Mineralöl-Rückstände! Da denkt man immer Öl-Katastrophen sind so weit weg, was interessiert mich der Golf von Mexiko? Pustekuchen, der gefährlichste Ölteppich treibt durch unsere Arterien! Haben Sie die Bilder von schwarz verklebten Seevögeln im Kopf? So ähnlich geht es bald Ihrer Leber. Warum habe ich mir eigentlich das Rauchen abgewöhnt, wenn jetzt der Weihnachtsmann mir die Innereien mit Teer verklebt?

Und das Gift kommt anscheinend aus dem Pappkarton. Es ist ja schon lange kein Geheimnis, dass in Verpackungen aller Art eine ganze Armada teuflischer Substanzen schlummert. Denken Sie an die Weichmacher im Plastik. Sie wissen schon, diese östrogen-ähnlichen Stoffe, die uns Männern die Klöten veröden. Und Kunststoffe sind in Adventskalendern auch ordentlich vorhanden: Von oben Mineralöl, von unten Weichmacher. Das ist keine Schokolade, das ist eine toxische Rute mit der Knecht Ruprecht die Nieren von unartigen Kindern züchtigt!

Wobei ich mich da schon fragen muss: Was soll denn auch der ganze Unsinn? Warum muss für 24 Stück winzige Schokolädchen mehr Verpackungsmaterial verbraucht werden, als Christo zur Verhüllung des Reichtags benötigte? Diese weihnachtliche Verpackungs-Manie stößt mir überaus unbesinnlich auf. Alle Jahre wieder erheben sich am Heiligen Abend Berge von Papiermüll gen Himmel. Mit jedem Geschenk wächst der bunt bedruckte Cellulose-Haufen im Wohnzimmer wie der Turm zu Babel. Oder das anfallende Brennmaterial wird schon im Laufe der Bescherung vom Vater hektisch wie der Heizer einer Dampflokomotive in den Kamin gestopft. Dort verbrennt es dann in allen seinen Spektralfarben und gibt eine leuchtende Vorstellungen, welch’ bunte Mischung von Schwer- und Leichtmetall-Dämpfen nun durch die gute Stube treiben.

Laut Greenpeace verbrauchen wir Deutsche 20 Millionen Tonnen Papier im Jahr. (So viel, wie Afrika und Südamerika zusammen.) Über 40 Prozent davon sind Verpackungsmaterial. Sagen Sie: „Na, und? Ist doch nur Papier!“ Na, dann gebe ich Ihnen mal ein paar Fakten zum Thema Papier: Haben Sie zum Beispiel gewusst, dass zur Herstellung einer Tonne Papier so viel Energie benötigt wird wie zur Produktion einer Tonne Stahl? Sie glauben mir nicht? Gut, dann stellen Sie sich bitte mal vor, wie lange es dauert einen Holzscheit in einem Schnellkochtopf zu Brei zu kochen… Der Zellstoff (Primärfaser) wird hergestellt, indem man Holzhackschnitzel über Stunden in heißen Lösungsmitteln erhitzt. Da wundert es nicht, dass in Deutschland die Papierindustrie beim Energieverbrauch an dritter Stelle nach der Metallerzeugung und der chemischen Industrie rangiert.

Um die Grundbedürfnisse an Bildung, Kommunikation und Hygiene zu erfüllen, sind jährlich ungefähr 40 Kilo Papier pro Kopf nötig. Und wie hoch ist der Papierbedarf bei uns Deutschen? Wir brauchen gigantische 248 Kilo! Allein unsere Hygienepapiere haben einen Anteil von knapp 10 Prozent – Tendenz steigend. Klopapier wird ja immer luxuriöser: Es gibt mittlerweile sogar fünflagiges Toilettenpapier. Fünf Lagen? So eine Art Zellstoff-Carpaccio! Da ist es doch leichter sich einen Duden durch die Ritze zu ziehen. Stellen Sie sich mal vor: Angenommen Sie brauchen 40 Blatt am Tag. Das macht, wenn Sie 90 Jahre alt werden, mehr als 6500 Rollen Toilettenpapier im Leben – eine knappe Tonne! Wenn Sie Klopapier aus Primärfasern benutzen, fallen dafür im Laufe der Jahre rund zehn Bäume ihrem dreckigen Hintern zum Opfer. (Rechenbeispiel aus „Tu was!“ Greenpeace Magazin)

Jeder fünfte Baum, der auf dieser Welt gefällt wird, landet in der Papierherstellung. Wenn man das Brennholz nicht berücksichtigt, sondern nur das industriell genutzte Holz betrachtet, endet sogar fast die Hälfte in der Papierproduktion. Und wissen Sie was das Perverseste ist? Davon stammen 20 Prozent aus Urwäldern. Verstehen Sie? Wir verarbeiten Regenwälder zu Toilettenpapier! Die grüne Lunge unseres Planeten treibt kotverschmiert durch die Kanalisation Deutschlands. Wenn Sie auf dem Standpunkt stehen, der Wald ging mir schon immer Arsch vorbei, ist da mehr dran als Sie glauben.

Aber klar, irgendwann löst sich das Problem von allein: Wenn die Polkappen geschmolzen sind hängt unser Hintern so tief im Wasser, dass wir eh kein Toilettenpapier mehr brauchen.

Fast ein Viertel seines Zellstoffs bezieht Deutschland übrigens aus Brasilien. Aber auch Uruguay und Chile werden als Exporteure immer wichtiger. Und dabei haben diese Länder einen Großteil ihrer Naturwälder längst verloren – trotzdem wird weiter abgeholzt. Gleichzeitig breiten sich riesige Monokulturen aus, um die Nachfrage der Papierindustrie zu stillen. Die Eukalyptusplantagen werden von den Einheimischen „grüne Wüsten“ genannt. Denn an den Zweigen dieser Bäume hängen nicht Kugeln und Lametta, sondern Düngemittel und Pestizide in geradezu opulenter Fülle. Eine schöne Bescherung für die Gewässer und Böden und die Gesundheit der Bevölkerung.

Und was machen wir? Wir sitzen an Weihnachten vor unserem Berg aus Geschenkpapier voll bunt bedrucktem, totem Urwaldholz und singen: „Oh, Tannenbaum, oh Tannenbaum, wie grün sind deine Blätter…“ Davon mal ganz abgesehen, dass Tannen keine Blätter haben und die Tanne in den meisten deutschen Haushalten eine Fichte ist.

Bitte, ich will damit nicht andeuten, dass Sie am Heilig Abend ganz auf Verpackung verzichten sollen. Das ist ja oft das Beste vom ganzen Geschenk… Den Pulli von der Tante Martha kann man nicht einfach in die Altkleidersammlung schmeißen. Verpackung gehört dazu – ich bin schließlich kein verdammter Öko-Moralist, der den Menschen jeden Spaß rauben will. Aber warum benutzen Sie nicht einfach alte Zeitungen, Zeitschriften oder Kalenderblätter? Damit kann man doch viel kreativer sein! Was glauben Sie, wie der Opa sich freut, wenn seine neuen Hauschuhe in einen alten Playboy eingewickelt wurden! Meine Nachbarin macht Ihr gebrauchtes Weihnachtspapier mit einem Bügeleisen wieder repräsentabel. Das finde ich toll. Auch wenn ihr deswegen schon dreimal die Wäschekammer abgefackelt ist. Aber wenn es unbedingt sein muss, bitte, dann kaufen Sie halt Ihr Geschenkpapier. Es gibt ja auch Recyclingpapier: Für jedes Papierprodukt gibt es heute eine gute Recycling-Alternative. Wobei auch hier nicht jeder Anbieter das Optimale an Umweltschutz bietet, da oftmals Teile des Papiers immer noch aus Primärfasern bestehen. Echtes Recyclingpapier besteht zu 100 Prozent aus Altpapier! Deshalb meine Tipp: Achten Sie beim Kauf von Papierprodukten immer auf das Siegel „Der Blaue Engel“. Das passt dann auch wunderschön zu Weihnachten.

Weitere Informationen und Tipps zum dem Thema entnehmen Sie bitte der aktuellen Broschüre „Papier – Wald und Klima schützen“, die vom Forum Ökologie & Papier (föp) unter der Leitung von Evelyn Schönheit und Jupp Trauth zusammengestellt wurde. Beide setzten sich seit langem für eine nachhaltige Papierwirtschaft ein. Frohes Fest übrigens auch Euch beiden! Also, liebe Leser, schaut da mal rein und schickt es weiter. Denn wie sagt der Herr:„Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium des neuen Papier-Verständnisses allen Geschöpfen! Amen.“

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Download der Broschüre als PDF: –> „Papier – Wald und Klima schützen“. Bitte nicht ausdrucken, sondern am Monitor lesen. Alternativ: Die Publikation auf der Website des –> Umweltbundesamtes kostenlos bestellen. Und hier geht es zur Website vom –> Forum Ökologie & Papier.

Abschließend noch ein kleiner Tipp für meine Tübinger Leser: Auf dem Weihnachtsmarkt an der Stiftskirche (Ecke Neckargasse) verkauft Nachmittags der –> „PapierPilz“ seine kreativen Recycling-Blöcke, z.B. aus Papiersäckchen in denen Teebeutel waren! Wer noch ein nachhaltiges Weihnachtsgeschenk sucht…

3 Kommentare

  1. MrsSoediv – 15. Dezember 2012, 19:35 Uhr

    Auch das Umweltinstitut München e.V. macht sich Gedanken zur Papierproblematik. Aktuelle Broschüre zum Download unter
    http://www.umweltinstitut.org/stadtgespraeche/msg/magazine.html

  2. Sonstwer – 19. Dezember 2012, 09:16 Uhr

    Die Broschüre des Forums Ökologie ist leider für das Lesen am Bildschirm nicht ausgelegt. Wohl aus Designgründen besteht das PDF aus Doppelseiten von 420x148mm, also immer seit 2-3, 4-5 als eine Seite im PDF zusammengefasst.
    Wenn man diese auf einem üblichen Bildschirm (20″er) auf Seitenbreite zoomt, sind die Fußnoten nicht mehr zu entziffern. Wenn man auf volle Seitenhöhe zoomt, muss man ständig hin und her scrollen. auf 27″ und 30″ Bildschirmen mit 2560 Pixel Breite kann man die Doppelseite vernünftig lesen – aber wer nutzt sowas schon außer den Designern.

    Ein Trost: Das Exotenformat kann man auch nicht auf haushaltsüblichen Druckern ausdrucken.

    Ergebnis: Tolle Broschüre, von abgedrehten Designern so ver-pdf-t, dass zusätzlich Papier verbraucht werden muss um sie zu drucken und sich schicken zu lassen.

    Wie wär’s mit einer Variante in 16 Graustufen für 6-7″ Ebook-Reader.

  3. PapierPilz – 27. Dezember 2012, 23:29 Uhr

    was man mit dem ganzen geschenkpapier machen kann, haben wir auch noch keine nicht-zündende idee, aber „alte kalender“ lassen den PapierPilz aufhorchen. alte kalender… genau! die können nämlich im raum tübingen auf jeden fall ungeheuer sinnstiftende neue aufgaben als PapierPilz-block-deckel erhalten.

    einen guten rutsch an alle leser und an euch – philipp und inka – und danke für die erwähnung hier!

    grüße vom PapierPilz

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