Sie können sagen, was Sie wollen, aber olfaktorisch empfinde ich die Weihnachtszeit als eine echte Zumutung. Überall pusten Duftlampen und Räuchermännchen ihren giftigen Brodem in die Atmosphäre. Egal, welches Geschäft man zur Zeit betritt, sofort rollt eine wütende Angriffswelle aus Nelken-, Zimt- und Anis-Duft über deine Schleimhäute hinweg. In jeder Einkaufspassage wird man mit ätherischen Ölen eingenebelt als müsse die Kundschaft erst mal von Parasiten befreit werden. Hätten die Heiligen Drei Könige den Stall von Bethlehem so voll gestunken, wären sie sicherlich von Maria mit einer Peitsche aus dem Stall gejagt worden. Bald werden wohl selbst die Bahnhofstoiletten mit Weihnachtsklosteinen der Duftrichtung „Vanillekipferl“ die Besucher auf die Ankunft des Herrn einstimmen.
Beim Essen ist es nicht viel besser. Am widerlichsten finde ich diese unselige Glühweinsauferei. 50 Millionen Liter trinken die Deutschen im Jahr. Kein Wunder, dass viele Weihnachtsmärkte eher einer Art „Adventsballermann“ gleichen: Horden von Menschen stolpern zum dröhnenden Engelschor vom Band zwischen weihnachtlich geschmückten Trinkbaracken besinnungslos durch die besinnliche Zeit. Doch die Gewinnspanne ist beim Glühwein natürlich beträchtlich. Billigster Fusel – den nicht mal russische Alkohol-Panscher in sibirischen Arbeitslagern runter bekommen würden – wird mit Omas Gewürzkissen aufgekocht und schon kann man die Plörre zum Literpreis eines edlen Bordeaux verkloppen.
Und im Supermarkt geht es weiter: Da wird ja bereits Ende August langsam auf das Weihnachtsfest umgerüstet. Apfel-Joghurt wird ganz schnell zu „Bratapfel-Joghurt“, Nuss-Geschmack zu „Gebrannte Mandeln“. Hier ein bisschen Zimtgeschmack, da ein bisschen Orangen und Nelken. Und zum Schluss schmeckt selbst der Harzer Handkäs irgendwie nach Lebkuchen. Die moderne Aromachemie macht es möglich.
Klar, echte Gewürze oder Obst werden da nicht verwendet, viel zu teuer! Selbst wenn auf dem Erdbeerjogurt „natürliches Aroma“ steht, werden natürliche Erdbeer-Aromen nicht aus Erdbeeren gewonnen, sondern aus Sägemehl hergestellt. Das steht natürlich nirgendwo auf der Verpackung. Oder haben Sie schon mal einen Joghurt mit der Geschmacksrichtung „Nutzholz-Maracuja“ in der Hand gehabt? Wobei Bäume wenigstens noch edle Geschöpfe des Waldes sind. Eine Tannenrinden-Akzienborken-Speisequarkmischung würde auf den Nürnberger Weihnachtsmarkt sicher auch reißenden Absatz finden.
Schwieriger wäre das allerdings bei Kokos- oder Ananas-Aromen, die nämlich aus Schimmelpilzen hergestellt werden. Und auch das darf als natürliches Aroma deklariert werden, schließlich sind Schimmelpilze ja überaus natürliche Dinge. Anstelle der kleinen, lustigen Ananas müssten auf dem Joghurtbecher eigentlich grüne, pelzige, in Milch treibende Inselchen abgebildet sein. Dann wüsste man genau, woran man ist. Selbst die Fruchtstücke halten nicht das, was sie versprechen: In vielen Fällen handelt es sich um gefärbte Gelatine-Stücke. Der Lebensmittelchemiker spricht hier von „Schauobst“: Inhaltlich bringt es nichts – sieht aber einfach gut aus! So ähnlich wie Michelle Hunziker bei „Wetten dass…?“.
Andererseits, ohne Aromen wären viele moderne Nahrungsmittel auch gar nicht genießbar. Seit dem Dioxin-Skandal im Frühjahr 2011 wissen wir, dass Schweine und Hühner auch gerne mal Abfallfette aus der Biodieselproduktion im Futtertrog vorfinden. Haben Sie sich nie gefragt, wie die armen Säue das Zeug runtergekriegt haben? Ganz einfach, das Kraftstoff-Futter schmeckt nach Vanille oder Erdbeere. Da stehen Schweine nämlich total drauf. Futterzusatzaromen sind ein Milliarden-Geschäft in Europa. Für Hühner haben Lebensmittelchemiker sogar ein Aroma der Geschmacksrichtung „Regenwurm“ hergestellt. Aber woher wissen diese Laborratten eigentlich, wie Regenwürmer schmecken? Und wie tut mir die arme Sau leid, die die Blindverkostung übernehmen musste… Aber, geht’s uns denn besser als dem lieben Vieh? Welche Sauereien werden bei uns durch leckere Arömchen übertüncht? Wissen Sie, wie Analogkäse hergestellt wird? Oder deutscher Kaviar? Oder Formvorderfleisch? Glauben Sie mir, Sie wollen es nicht wissen!
Patrick – 29. Juli 2012, 11:49 Uhr
Das mit den Sägemehl scheint nicht zu stimmen, ich hab gerade auf dieser Webseite das Gegenteil gelesen. Ob es dadurch besser wird ist eine andere Frage ;)
http://www.oekotest.de/cgi/index.cgi?artnr=67356;bernr=04;seite=04;co=
lg Patrick
Philipp Weber – 31. Juli 2012, 12:47 Uhr
Hier beziehe ich mich auf den ehemaligen Spiegelredakteur Hans-Ulrich Grimm und sein Buch „Die Ernährungsfalle“. Auch der Ernährungswissenschaftler Udo Pollmer weist in einer Publikation darauf hin. Diese Quellen erscheinen mir absolut glaubwürdig. Glaubwürdiger zumindest als Informationen aus dem Netz, meistens von Firmen, die das Zeug herstellen oder verkaufen.
sonja – 24. Oktober 2012, 22:02 Uhr
als kleine kosmetikmacherin pruegle ich mich gerade durch die neue kosmetikverordnung von 2013. die kosmetik lobby hat ganze arbeit geleistet und mal wieder alles zugunsten der giganten auf den kopf gestellt.
was soll ich sagen… natuerliche (nicht naturidentisch etc) aetherische oele werden als „gefaehrlich“ eingestuft weil pur verwendet eben einfach nicht gut fuer die haut oder schleimhaeute.. nur giesst einfach mal kein mensch das teure aetherische oel in hohen % in die produkte… wer aber mit apple pie oder creme brulee synthetischem parfumoel seine sachen verhunzen moechte, der ist da auf der sicheren seite weil die fast alle durchgewunken werden :)
mir selber bleibt verborgen warum frau heutzutage wie eine jahrmaktsfressmeile stinken will, aber wenn sie sich dadurch schoener und verfuehrerischer findet… allerdings bin ich fast sicher das mann das nicht unbedingt anziehend findet… ok, wenns nach gegrilltem huhn stinkert vielleicht…. aber suessspeisen???? hehe…