Esst Euren Müll

9. November 2011, 17:08 Uhr

Schnappschuss auf La Palma (Spanien), hinter meiner gebuchten Ferienwohnung 2011

Das kennen Sie doch sicher auch: Man betritt die Obstabteilung im Supermarkt, um einen herum türmen sich Berge aus buntem, duftigem, knackigem und feuchtem Fruchtfleisch. Ein Garten Eden edlen Obstes – durch keine Druckstelle entstellt, durch keinen Wurm geschändet! Und sollte doch einmal eine garstige Beere es wagen, durch Fehlfärbung oder gar krüppeligem Wuchse gegen die harten, aber gerechten Gesetze des europäischen Komitees für Normung zu verstoßen, dann hat das Argusauge des Abteilungsleiters diesen Schandfleck schon längst erblickt und das Essunwürdige von der gesunden Fruchtmasse abgesondert und im Müllcontainer entsorgt. Und man beginnt zu kaufen: Bananen, Ananas, Mandarinen, Clementinen, Apfelsinen, Kiwis, Karambolen, Drachenfrüchte, Passionsfrüchte, Maracujas, Mangos, Physalis und…, äh, Äpfel! Dann trägt man diese Kleinodien der Schöpfung behutsam nach Hause, drapiert alles kunstvoll in einer Terrakotta-Schale wie ein niederländisches Stillleben und beobachtet das Ganze die nächsten Wochen lang, bis die gesamte Biomasse in Form von Fruchtfliegen unter der Decke kreist und man sich beschämt fragt: Warum habe ich eigentlich keine dieser süßen, vitaminhaltigen Nektarinen gegessen? Wahrscheinlich, weil ich auf den letzten Metern vor der Supermarktkasse gedacht habe: Bei soviel gesundem Einkauf hab’ ich mir erst mal eine Jumbopackung Vanilleeis verdient.

Allein in Deutschlang werden jährlich 20 Millionen Tonnen Nahrungsmittel weggeschmissen. Ein Drittel aller weltweit produzierter Lebensmittel landen auf den Müllkippen. Auf den Müllkippen Europas und Nordamerikas versteht sich. Wenn die Esswaren nach einer langen Reise um die halbe Welt, endlich im Supermarktregal angekommen sind, werden sie abends gleich wieder im Hinterhof in einer Tonne entsorgt. Schließlich muss Platz geschaffen werden für die Ladung künftiger Abfälle, die schon im Anrollen sind.

Aber wenn Sie, liebe Leser, jetzt auf die Idee kommen: Cool, dann schaue ich heute Abend im Müllcontainer von REWE und besorg mir ein schönes 5-Gänge-Dinner… Vorsicht, da können Sie schnell vor Gericht landen! Denn die unautorisierte Entwendung von weggeworfenen Essen wird im deutschen Recht als Diebstahl gewertet. Ein Kölner Gericht hat im Jahre 2004 eine Frau zu 60 Sozialstunden verdonnert, weil sie sich ihr Essen hinter einem Supermarkt aus der Mülltonne zusammen geklaut hat. Denn nach deutschem Recht gilt: DER ABFALL GEHÖRT IMMER NOCH DEM WEGWERFENDEN! Aufpassen also, wenn Sie in einen Hundehaufen treten: Im Grunde kann Sie der Hundehalter wegen Sachbeschädigung verklagen.

Und nicht zu vergessen: Man schmeißt nicht nur das Essen weg. Die ganze Energie, der Treibstoff und das Wasser, das zur Produktion der Lebensmittel benötigt wurde, werden ja auch weggeworfen. Das sind riesige Atomkraftwerke, Ozeane von Trinkwasser, Milliarden von Arbeitstunden, die wir da zusammen mit matschigen Tomaten und schimmeligem Streichkäse auf den Müll hauen. Und auch wenn es viele Leute vielleicht nicht mehr hören wollen, muss es trotzdem kurz erwähnt werden: Angesichts der Tatsache, dass laut UNO circa 1 Mrd. Menschen an chronischem Hunger leiden, ist jeder Bissen „Happa-Happa“ in der Mülltonne ein Zeichen für einen ziemlich miesen Lebensstil.

Deshalb mein Tipp: Gehen Sie niemals hungrig einkaufen. Machen Sie sich zuhause eine Liste von den Dingen, die sie benötigen und halten Sie sich an das Geschriebene wie an die Worte der Heiligen Schrift. Denn die Teufel mit dem weißen Kittel hinter den Theken und an den Regalen werden versuchen Sie zu verführen. Die dunklen Mächte der Verkaufspsychologie werden mit bunten Farben, engelszüngigen Slogans Ihnen einflüstern, dass der fünf Liter Jumbopack gefüllt mit zuckerfreiem Orangensaft-Getränk und über 666 lebenswichtigen Vitaminen für Ihr Leben unverzichtbar ist. Widerstehen Sie, der Dämon lügt! Und denken Sie immer daran: Den ganzen Mist in Ihrem Einkaufswagen müssen Sie nicht nur in Tüten in Ihre Wohnung schleppen, sondern auch wieder in Müllsäcken auf die Strasse.

Und wenn Sie ganz subversiv sein wollen, fragen Sie den Mann von der Obstabteilung doch mal, ob er auch die Bananen mit den lustigen kleinen brauen Punkten verkauft, oder diese Gurken, die so krumm sind… Weil die irgendwie besser schmecken und schöner aussehen. Er wird sagen, die hat er nicht. Aber wenn Sie ihm diese Frage jede Woche zehnmal stellen, irgendwann geht er zum Müllcontainer.

Zu diesem Thema läuft gerade noch der Film „Taste the waste“ in deutschen Kinos. Ich habe ihn leider noch nicht sehen können, aber er soll alles andere als Müll sein!

1 Kommentar

  1. sven – 21. November 2011, 21:38 Uhr

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    Los – starten wir Überfälle auf Mülltonnen…

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