Hüttengaudi – eine Abrechnung!

16. Februar 2012, 11:15 Uhr

McDonalds's Schild
Fundstück: Streetart bei McDonald’s in der Regerstraße/München. Mehr zeitgenössische Straßenkunst auf www.streetartblog.de

Diese Woche habe ich es mal so richtig krachen lassen. Dreimal war ich zu Gast bei einem Spitzenkoch der Extraklasse: ein Michelin-Stern, drei Hauben von Gault-Millau und vier Kochlöffel vom Schlemmer Atlas. Ich war bei Alfons Schuhbeck! Mein Kassler mit Chili-Wirsing aß ich im ICE 374 nach Frankfurt, an meinen Rindsrouladen würgte ich im IC 2026 nach Hagen und mein Linseneintopf rutschte mir in einer Kurve irgendwo im Sauerland auf die Hose. Wahnsinn, wie der Schuhbeck das schafft? Der arme Mensch ist ja wirklich irre viel unterwegs. Und obwohl die Mahlzeit in einem muffigen Bordrestaurant serviert wurde, muss man sagen, das Essen war gar nicht mal so gut. Und sogar ohne Geschmackverstärker, wie ich der beigelegten Broschüre entnehmen konnte. Sehr löblich, denn gerade den Chili-Wirsing musste man im Geschmack definitiv nicht weiter verstärken.

Der Schuhbeck ist ein Meister seines Faches. Wie er aus einfachsten Zutaten, die raffiniertesten Gerichte zaubert. Da nimmt er etwas modifizierte Stärke hier, eine Handvoll Sahnepulver da, fügt einen Hauch Hefeextrakt hinzu und rührt unter Zugabe von feinen, aber nicht näher deklarierten Aromen, alles mit 3% (!) gefriergetrockneten Pilzen zusammen. Voilà, fertig ist die Champignoncremesuppe à la Schuhbeck. Wer mir nicht glaubt, kann in den Supermarkt gehen. Die Schuhbeck-Dosen stehen meist irgendwo zwischen „Westfälischer Bohneneintopf“ und „Feuerzauber Texas“. Aber das ist ja das Schöne am Schuhbeck: Er ist auf dem Boden geblieben. Gerade und schnörkellos kocht er. Nicht „geschnackselt“ wie er selbst über den Kochstil seiner Kollegen urteilt. Keine Auster im Kresse-Schaum. Keine Trüffel im Topinampurbett. Keine Erbse im Handstand. Wasser. Salz. Aroma. Passt!

Große Köche wie er haben bewiesen, dass ungezügelter Geschäftssinn und gutes Essen keine unüberwindlichen Gegensätze sein müssen, sondern nur lediglich sein sollten. Denn Köche sollten Geld verdienen dürfen. Das ist doch nur recht und billig. In einer modernen Leistungsgesellschaft ist eine unverkrampfte Einstellung zu Profit schließlich eine hohe Tugend. Und wer jetzt dem Schuhbeck seine Bücher unter die Nase hält, in der die Bedeutung von „frischen Zutaten“ und der „regionalen Küche“ gepriesen werden, der verhält sich kleinlich und rückwärtsgewandt. Wer sagt denn, dass die Sahne nicht frisch pulverisiert wurde? Oder dass das Hefeextrakt nicht aus heimischen Pilzkulturen stammt? Solche Korinthenkacker wirken auf mich bigott. Wir leben in einer liberalen Gesellschaft, in der offen diskutiert werden darf, ob Prostitution als staatlich anerkannter Beruf zugelassen werden sollte. Da sollte doch auch ein Koch die Möglichkeit bekommen, ohne finanzielle Notwenigkeit die eigene Überzeugung zu verkaufen.

Doch, lieber Herr Schuhbeck, falls Sie das gerade lesen, was natürlich nicht der Fall ist, schließlich sind Sie ein hoch beschäftigter Mann und wahrscheinlich so bodenständig und „ungeschnackselt“, dass Sie in langen, einsamen Nächten Ihre Fertigsuppen selbst in die Dosen füllen… Dennoch hätte ich eine Frage: Gibt es nicht für alles Grenzen? Ich habe gesehen, Sie kochen jetzt auch für McDonald’s. Die ganze Aktion nennt sich „Hüttengaudi“. Ich dachte zwar bisher, in den Augen eines Koches ist die einzig wahre Hüttengaudi, wenn eine McDonald’s-Filiale in Flammen aufgeht. Bitte, das ist nicht schlimm. Im Gegenteil, ich bewundere Ihre erstaunliche Kreativität, sich in aller Öffentlichkeit lächerlich zu machen. Aber dass Sie mit Uli Hoeneß dabei paktieren, dafür muss ich Ihnen einen scharfen Verweis erteilen. Verkauft der Kerl doch tatsächlich bei McDonald’s sogenannte „Nürnburger“. Sie lesen richtig: Nürnburger. Ein Nürnburger ist ein Ciabatta-Brötchen mit Nürnberger Würstchen und bestrichen mit irgendeinem Senfschleim, der fatal an eitrigen Auswurf erinnert. Ciabatta! An sich schon eine Blasphemie. Ein Nürnberger Würstchen kommt nicht ins Ciabatta, sondern ins Weckla. Und zwar seit Jahrtausenden. Für mich als Franken hört da der Spaß auf. Unfassbar! Ein Schwabe wie Uli Hoeneß erdreistet sich, mit seinen fettigen Wurstfingern nach dem fränkischen Regionalheiligtum zu grabschen, selbiges in ein latschiges Industrie-Brötchen zu zwängen und dann bei einer amerikanischen Fast-Food-Kette zu verscheuern. Nürnberger bei McDoof!!! Was kommt als nächstes? Silvaner im Pappbecher? Wenn Ihr Schwaben eine Kochkultur besudeln wollt, macht das bitte mit Eurer eigenen. Dann macht „Ländlegaudi“ mit Linsen-Spätzleburger und McSchupfnudeln-Sticks. Ich sage es, wie es ist: Menschen wie Uli Hoeneß sind die Sargnägel der deutschen Esskultur. Und das geschieht alles vor Ihren Augen, Herr Schuhbeck. Doch statt diesem Frechling den Kopf in Friteuse zu stecken, grinsen Sie nur dämlich in jede Kamera!

Darum sage ich: Kehre um, Alfons, und tue Buße. Geh’ in die Wüste, nähre Dich von Heuschrecken und wildem Honig. Wir rufen Dich, wenn die deutsche Gastronomie Dich wieder braucht. Aber das glaube ich nicht!

Links:
Hüttengaudi bei Mc Donald’s
Nürnburger
Streetart

6 Kommentare

  1. Sabine – 17. Februar 2012, 11:42 Uhr

    Jajaja…Masse statt Klasse…
    Hoffentlich funktioniert diese Masche nicht auf Dauer!
    Super Text :-)

  2. Friedel – 21. März 2012, 15:45 Uhr

    Da geht er hin der Glanz der Welt … und dabei war der Schuhbeck mir mal so sympathisch. Seufz.
    Den Niedergang der deutschen „Esskultur“ habe ich allerdings selten so brillant und amüsant komprimiert serviert bekommen wie hier. Chapeau!

  3. Mirko – 28. März 2012, 11:57 Uhr

    Ein Freund von mir war neulich im Restaurant unseres Burgerkreators. Und wie das halt so is(s)t, unterhielt man sich dabei über das Essen und probierte mal so nebenbei auch vom Teller des/der anderen (natürlich nur am selben Tisch!). Alles gut, alles nett, alles fein. Kurz vor Beendigung des Abends bekam man einen Briefumschlag von einem der freundlichen Bedienungen überreicht. Darin der Vermerk, dass das Probieren/Kosten von anderen Tellern in diesem Haus nicht erwünscht sei und dass daher von einem erneuten Besuch dieser heiligen Hallen doch bitte Abstand genommen werden sollte, vulgo „Hausverbot“ … Leider hab ich neulich nicht vom Hüttenkrautburger meines Filius probiert. Denn Hausverbot bei McD wäre aus Eltern-Sicht ein wahrer Segen.

  4. willi wutz – 12. Juli 2012, 16:47 Uhr

    @Mirko:
    Komisch, dass dieser „Gag“ mit dem angeblichen Briefumschlag immer noch die Runde dreht. Dabei war der schon vor einem Jahr als Dummfug enttarnt worden.
    Aber da DU ja diesen Brief hast: Schuhbeck zahlt dir (und jedem anderen) 1000€ bar auf die Kralle, wenn du ihm diesen ominösen Brief zeigen kannst. (so wars damals in der AZ zu lesen).
    Wenn du ihn aber nicht hast (du dir diese Verleumdung also „einfach so“ ausgedacht hast) würd mich interessieren: Was treibt einen wie dich dazu, wissentlich Lügen zu verbreiten?

  5. Bubble Tea - Seite 2 - Hausgemacht Forum der Huettenhilfe – 13. Juli 2012, 11:44 Uhr

    […] […]

  6. Mirko – 14. August 2012, 13:06 Uhr

    @ willi wutz
    Diese Geschichte erreichte mich – wie anfangs geschrieben – über einen Freund, dem ich eigentlich nicht zutraue, sich so etwas auszudenken und den ich für durchweg vertrauensvoll halte. Nach ein wenig googeln hab ich auch den von Dir erwähnten Artikel gefunden http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.5000-euro-belohnung-schuhbeck-kaempft-gegen-verleumdung.c8a54190-a44b-47bc-a806-7c28bb19466f.html (es sind sogar 5000 €) Was soll ich noch groß sagen? Ich habe da ungeprüft eine Ente verbreitet und es ist mir wirklich peinlich.

Zu diesem Beitrag können keine Kommentare mehr abgegeben werden.