Sanne wird Öko

13. Dezember 2010, 12:45 Uhr

© designee.de

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Ja, das Thema „Gesunde Ernährung“ treibt die Menschen um. Vor allem im Alter. In jungen Jahren ist einem die Ernährung ja wurscht. Wenn ich da an meine Studentenzeit denke: gesunde Ernährung? Um Gottes willen! In meiner WG gab es wochenlang nur zwei Gerichte:

1) Spaghetti mit Tomatensauce und

2) Toastbrot mit Nutella.

Vitamine, Ballaststoffe, ungesättigte Fettsäuren? Das waren für uns die Lügenmärchen aus der Propaganda der Gesundheitsmafia! Wir haben noch Mikrowellen-Gerichte gegessen, als das Gerät schon 2 Jahre kaputt war.

„Indianer essen Vogelspinnen“ – das finden Sie eklig? Ich habe meine Mitbewohnerin Sanne halbgefrorene Bratensoße mit Kartoffelbrei direkt vom Aludeckel eines Tiefkühl-Bausatzes lecken sehen! Noch absurder ging es beim Saufen zu: Wein aus ökologischem Anbau? Unfug! Hautsache es knallt im Kopf. Bei den Mengen Alkohol, die wir getrunken haben, war die Leber eh froh, wenn mit ein paar Pestiziden mal ein bisschen Abwechslung in den Alttag kam.

Irgendwann war das Studium vorbei, Sanne wurde schwanger… Und eines Tages hab´ ich sie aus einem Bioladen rausstolpern sehen. Das war ihr saupeinlich – Sanne war doch Rock ´n´ Rollerin! Und als Rock ´n´ Rollerin mit Demeter-Schwarzwurzeln durch die Gegend zu stolpern, das ist sozusagen ein Tritt in den Unterleib der Corporate Identity. Ich konnt ´s am Anfang gar nicht glauben – im Gegenteil – ich war erst einmal begeistert, als ich die Schwarzwurzeln gesehen hab: „Was sind das denn für geile Teile? Kann man die rauchen?“

Nach dieser Begegnung hab´ ich sie zweimal erwischt, wie sie ihren Einkauf beim Biomarkt in einer Alditüte heimgetragen hat:

„Sanne, was hast du denn jetzt wieder gekauft?“

„Dinkel-Cracker?“

„Dinkel-Cracker??? Du weißt doch, wer heute Dinkel-Cracker kauft, der umarmt morgen Bäume.“

Sie hat gesagt: Naja, jetzt wo sie schwanger sei. Es wäre ja nicht wegen ihr und schon gar nicht wegen ihrem Mann! – Der soll sich mal keine Illusionen machen. Als Vater wird er bald nur noch das zu sich nehmen, was der Stammhalter unter den Tisch plumpsen lässt. Der Papa rangiert in der familiären Nahrungskette nämlich kurz vorm Staubsauger. Mein Schwager ist das beste Beispiel hierfür: Seine Gelbwurst ist zwar vom Biometzger, doch hat er sie noch nie ohne Teppichmilben und Hundehaare zu sich genommen. Am eigenen Kind will man sich ja ernährungstechnisch nicht versündigen: Verwehre ich ihm heute die Extraportion Calcium, schafft es der Fruchtzwerg morgen nicht auf ´s Gymnasium.

Sanne kann mittlerweile stundenlang Vorträge über biodynamischen Landbau halten. Und ihr Gemüse wird immer kleiner und immer schrumpeliger. Bio-Gemüse neigt ja dazu, generell ein bisschen kleiner und schrumpeliger zu sein. Ich hab mal einen Biobauern gefragt, ob das Zeug so klein und schrumpelig sein muss. Er hat gesagt: „Nein, aber wenn es nicht klein und schrumpelig ist, wird es vom Konsumenten nicht als Bio erkannt.“ Ihm blute das Herz, dass er seinen Salat zwei Wochen lang lagern muss, aber unwelk frisst es der Kunde halt einfach nicht.

Jetzt hat Sanne schon zwei Kinder. Was soll ich sagen, heute kann sie ihre Dinkel-Cracker selber backen. Es gibt bei ihr nicht nur Bio-Kartoffeln, sondern die peruanische Urkartoffel, Urkarotten, Urtomaten… Das Gemüse ist dann nicht nur klein und schrumpelig, sondern jetzt auch noch violett und zum Verzehr überhaupt nicht mehr geeignet.

Ein Glück nur, dass Sanne ihre Kinder hat. Die fordern an jeder Imbissbude lautstark: POMMES!!! Und wenn Sanne versucht, sie dann mit Urkohlrabi-Bio-Kräckern aus der Tupperbox abzuspeisen, da ist aber was los. Und dann schlingt auch sie ihre fettgetränkten, von Ketchup triefenden Kartoffelstifte in sich rein. Genau wie früher – Gott sei Dank! Und ich kann´s gar nicht erwarten, bis die Kleinen das Saufen anfangen: Dann haben wir endlich wieder unsere alte Sanne zurück.

1 Kommentar

  1. Ulrike Maier – 15. Dezember 2010, 13:19 Uhr

    Ich würde den Blog so gerne abonnieren!!! Kann man das irgendwie einstellen, dass man automatisch eine Mail bekommt??

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