DIE 10 GOLDENEN REGELN GEGEN PSYCHOTRICKS!
Kennen Sie den Zustand der „Kauf-Amnesie“? Man schaut auf den Berg von Produkten, die man gerade aus seinem Baumwollbeutel auf den Küchentisch gezaubert hat und fragt sich erschrocken: Was so viel? Fünf Bananen, eine Mango, Geschirrspülmittel, Pfefferminztee, Erbsen in der Dose, Spargel im Glas, eine Flasche Rotwein, eine Flasche Milch, eine Packung Mandelsplitter, eine Tüte Backerbsen, zwei Schokoriegel, eine Tube Senf. Nein, drei Tuben Senf! Ich erinnere mich, stimmt, heute gibt es „Drei zum Preis von Zwei“, super! Ich schaue in den Kühlschrank: Eigentlich hätte ich keine einzige Tube gebraucht. Und die Krönung: Eine elektrische Zahnbürste! Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so ein Teil besessen. Oder gewollt. Im Gegenteil: Menschen mit elektrischen Zahnbürsten sind mir von jeher suspekt. Wer beim Zähneputzen maschinelle Hilfe braucht, lässt sich wahrscheinlich auch von seiner Frau die Schuhe zubinden, oder? Ich schaue auf meinem Einkaufszettel. Was steht da? „1 Flasche Milch, 6 Eier.“ Verdammt, die Eier habe ich vergessen!
Klamme Angst umfängt mein Herz: Wer hat das gekauft? Das kann doch nicht ich gewesen sein? Leide ich unter einer Persönlichkeitsstörung? Bin ich eine Art Supermarkt-Hulk? Sobald ich schlechte Synthesizer-Musik vom Band höre, verwandle ich mich in einen Berserker und stürze mich im Kaufrausch in die Wursttheke? Oder werde ich ferngesteuert von fremden Mächten? Bin ich in der Gewalt von Aliens? Hyperintelligente Monster von fernen Planeten, die mich mittels Ultragrünstrahlen in hypnotische Trance versetzen und mir befehlen, Dosen-Erbsen zu kaufen, obwohl ich mit der Batterie an Dosen-Erbsen in meiner Speisekammer problemlos drei Dritte Weltkriege und fünf atomare Winter überstehen könnte? Die Antwort ist einfach: Ja, nur ist alles viel schlimmer – die Monster sind mitten unter uns!
Denn über Sinn oder Unsinn, über Notwenigkeit oder Überfluss an Artikeln entscheidet im Labyrinth der Regale nicht der Verstand, sondern das Gefühl. Zwei Drittel aller Kaufentscheidungen im Supermarkt fallen spontan. Und Marketingexperten wissen das. Sie benutzen ein ganzes Waffenarsenal von psychologischen Tricks, um an unserem Hirn vorbei direkt mit unserem Bauch zu kommunizieren. Sie schaffen eine schwüle Atmosphäre der allgegenwärtigen Versuchung. Dagegen war die Schlange im Paradies ein armseliger Wachturm-Verkäufer.
Deswegen habe ich ein System der Selbstverteidigung entwickelt. Ich nenne es: Das „Supermarkt-Ju-Jutsu“ oder „Die 26 Kammern des Sidolin“. Mit den folgenden Kampftechniken werden Sie jeden Angriff auf Ihr Unterbewusstsein und damit auf Ihren Geldbeutel abwehren können.
1.
Die wichtigste Grundregel lautet: Minimieren Sie Ihre Zeit am Ort des Geschehens! Die Aufenthaltsdauer in Supermärkten entscheidet über Sieg oder Niederlage. Je länger Sie dort verweilen, desto mehr werden Sie kaufen. Das heißt für Sie: Rennen, hasten, stürmen, flitzen, wetzen, jagen Sie durch die Gänge wie eine Meldegänger durch die feindlichen Angriffslinien. Sie gehen täglich joggen? Gut. Nehmen Sie Ihren Einkaufszettel mit und drehen Sie die letzten Runden einfach um die Tiefkühltruhe.
2.
Doch, Vorsicht! Ihr Gegner – also, der Inhaber des Supermarktes – wird versuchen Sie mit allen Kräften aufzuhalten. Der Versuch Ihre Geschwindigkeit zu drosseln ist dabei sein wichtigstes Mittel: Ein leicht unebener Fußbodenbelag bremst den Einkaufswagen in der Obstabteilung, ein grüner Teppich erzeugt Widerstand am Boden und im Hirn unbewusst die Behaglichkeit eines Wochenmarktes. Wenn Sie also einen Einkaufswagen benutzen, dann immer mit Karacho. Führen Sie nur schnelle Stoßbewegungen mit voller Wucht aus. Wenn Ihnen dabei eine Omi in die Quere kommt, egal. Supermarkt ist Krieg! (Senioren haben auf diesem Schlachtfeld eh nichts verloren.)
3.
Auf jede erdenkliche Art und Weise werden unsere Sinne umschmeichelt: Alles soll Wohlgefallen hervorrufen und zum Verweilen auffordern. Ein zentrales Element ist dabei natürlich die Musik – hier wird nichts dem Zufall überlassen. Mit exakt 72 Taktschlägen pro Minute wird dem Kunden mit süßen Klängen sanft die Hirnhaut massiert. Morgens gibt es Volksmusik für die Rentner. Und abends Soft Pop für den gestressten Büroangestellten. Interessanterweise soll klassische Musik den Alkoholkonsum fördern. Wenn Sie also Mozart hören, wechseln Sie unverzüglich aus der Spirituosen- in die Käseabteilung. Oder stopfen Sie sich schon an der Gemüsetheke ein Bund Petersilie in die Lauscher und singen Sie laut gegen Florian Silbereisen an. Natürlich werden Sie so für irre gehalten. Aber das verhindert wenigstens, dass Ihnen die Frau hinter dem Sonderaktionsstand Häppchen in die Kiemen schiebt und Sie anschließend mit drei Kilo Mettwurst nach Hause latschen.
4.
Im Eingangsbereich ist immer ein Bäcker oder eine Bäckerin, die Sie freundlich anlächeln. Täuschen Sie sich nicht, die Halunken stecken mit dem Filialleiter unter einer Decke. Denn hier wird Ihrer Nase eine Falle gestellt: Der Duft nach frisch gebackenen Brötchen soll Ihre Magensäfte in Wallung bringen und ein Gefühl von Geborgenheit vermitteln. Supermarktbesitzer können diesen Brötchenduft sogar in Dosen kaufen und wie ein Mückenspray in den Gängen verteilen. Also, Wäscheklammer auf den Riechkolben und ab ins Getümmel.
5.
Waren in Blick- und Greifhöhe sind meist kostspieliger als jene, die mehr Körpereinsatz fordern. In Augenhöhe befinden sich Markenprodukte. Auf die oberen und unteren Plätze im Regal sind die billigeren Artikel verbannt. Kaufen Sie also nur, was Sie sich durch ehrliche, körperliche Arbeit verdient haben. Bücken und strecken, bücken und strecken… Übrigens scannen die meisten Menschen ein Regal von links nach rechts, wobei der Blick am rechten Rand des Regals am längsten verharrt. Folglich stehen da auch die teureren Produkte. Tipp: Eine Augenklappe über dem rechten Auge kann Wunder wirken! Ich weiß, mit der Nasenklemme, den Petersilien in den Ohren und Ihrem schneidigen Stechschritt wirken Sie langsam etwas dämlich. Doch sparsames Einkaufen hat seinen Preis.
6.
Moderne Einkaufswägen sind so riesig, dass selbst ein hünenhafter Basketballspieler hinter Ihnen wie ein Hobbit wirkt. Aber ein Einkaufswagen muss heute monströs sein. Denn er soll selbst dann noch leer wirken, obwohl der Kunde das Gefährt schon mit vier Säcken Kartoffeln, drei Kästen Bier und zwei Kindern beladen hat. Also, Finger weg von dieser Höllenmaschine. Bringen Sie Ihre eigenen Einkaufskörbe mit. Noch besser ist: Kaufen Sie nur, was Sie in den Händen tragen können, oder lernen Sie gar Jonglieren! Sollten Sie es schaffen, vier verschiedene Joghurt-Sorten mit 40 verschiedenen Vitaminen gleichzeitig in der Luft zu halten, dürfen Sie den Mist von mir aus auch kaufen.
7.
Darauf fragen Sie: Und wer soll dann die Bierkästen schleppen? Richtig. Denn wenn für Sie, liebe Frauen, Damen, Geschlechtsgenossinnen, holde Schwestern Evas, Vertreter der weiblichen Variante des Homo sapiens auch folgender Rat wie der totale Wahnsinn in den Ohren klingen mag: Nehmen Sie Ihren Mann zum Einkaufen mit! Nachweislich bleiben Frauen zeitlich nur halb so lange in Supermärkten, wenn ihre Männer dabei sind. Klar, Einkaufen macht keinen Spaß, wenn man so einen besserwisserischen Miesepeter an der Backe hat. Da versucht man den Stinkstiefel schnell wieder auf seiner Couch zu parken, um sein normales Leben weiterzuführen. Wichtig: Lassen Sie sich beim Einkauf von Ihrem Mann unter keinen Umständen trennen! So ist es kein Zufall, dass Eingänge von Supermärkten oft von Bratwurstbuden versperrt sind. Diese sollen Ihren Mann davon abhalten, gemeinsam mit Ihnen den Supermarkt zu betreten! Nehmen Sie die Bratwurst mit und legen Sie wie Hänsel und Gretel Spuren von Senf durch den Supermarkt, dann finden Sie auch wieder raus.
8.
Und schon sind wir beim nächsten Punkt: Supermärkte folgen keiner inneren Logik. Tomaten in Dosen sind nicht bei anderen Konservendosen platziert, sondern bei den Nudeln. Die Nudeln stehen aber nicht beim Reis oder anderen Nahrungsmitteln, die man als Beilage in Wasser kochen kann, nein, sie stehen beim Kaffee. Der Kaffee steht nicht beim Tee, sondern neben Apfelkompott. Das Apfelkompott grenzt nicht an die Einweggläser, sondern an die Kartoffelpuffer, usw. Das ist klare Absicht! Sie sollen ja wie Odysseus durch den Supermarkt irren, bis Sie endlich feststellen, dass die Cornichons natürlich neben den Essigreinigern zu finden sind. Denn bis dahin haben wir uns schon mit Klopapier, Fischkonserven und Teelichtern versorgt. Operieren Sie deshalb auch nie auf unbekanntem Terrain und wechseln Sie nie den Supermarkt. Und wenn Sie ein Produkt entdeckt haben, notieren Sie sich diesen Fundort. Indiana Jones ist auch nicht ohne Karte in den Tempel des Todes gegangen.
9.
Auf allem, das mit Rabatten, Preisnachlässen und Gratiszugaben wirbt, steht in dicken roten Lettern geschrieben: „Weiche, Satan! Zurück, Luzifer!“ Sie sind doch kein Sammler oder Jäger von Schnäppchen! Sie sind ein aufgeklärter Mensch des 21. Jahrhunderts, der seine Bedürfnisse nicht den Sonderangeboten von Herrn Tengelmann unterordnet. Ein ganz übler Trick ist übrigens, dass neben einem billigen ein sehr teures Produkt platziert wird. Der Spottpreis des einen Artikels, scheint in unserem Hirn den Wucher des anderen zu relativieren. Wenn also eine elektrische Zahnbürste für 12,99 Euro neben einer Tüte Backerbsen für 49 Cent liegt, seien Sie wachsam. Niemand weiß das besser als ich.
10.
Die Gänge in Supermärkten sind so angelegt, dass man am Ende kurz vor der Kasse oder direkt an der Kasse noch an Süßigkeiten vorbeikommt. Das ist die sogenannte Quengelzone. Sie zielt natürlich auf die unschuldigsten Wesen in der grausamen Nahrungspyramide des Supermarktes. Um Ihr eigenes Fleisch und Blut zu schützen: Knebeln Sie Ihr Kind! Und das machen Sie am besten mit einem sehr großen Eis. Dieses kaufen Sie Ihrem Nachwuchs aber bereits vor dem Betreten des Supermarktes. Wenn dann der süße Milchschleimglibber auf die Flure rinnt, von den Rädern des Einkaufswagens von Regal zu Regal getragen wird, oder das Vanillebällchen gar ganz der Schwerkraft folgend auf dem grünen Teppich der Obstabteilung zerplatzt und sich daraufhin ein Geschrei gen Himmel erhebt, bei dem selbst der Papageno vom Band aus den Gehörgängen flieht, dann, ja, dann wird nicht mal der gierigste Filialleiter wollen, dass Sie länger als nötig in seinem Supermarkt bleiben.
So, das sind die Grundlagen des „Supermarkt-Ju-Jutsu“. Es ist natürlich noch eine sehr junge Selbstverteidigungskunst. Im Grunde stehen 16 der 26 Kammern des Sidolin immer noch leer. Wenn Ihnen also weiterer Kampfgriffe, Abwehrstrategien oder Schutzreflexe einfallen, erleuchten Sie die Welt, und lassen Sie es uns wissen!
rr – 15. Oktober 2012, 09:44 Uhr
Ich wünschte der örtliche Rewe-Markt würde auf die Marketing-Futzies hören und anstelle des quitischigen Rewe-Tschingel diese wohltemperierten, musischen Klänge einspielen. Da ist die Petersillie im Ohr fast schon Kontraproduktiv, denn als gut konditionierter Käufer beeilt man sich ohnehin, um auch ja vor dem Erkennungs-Gequitsche die Kasse passiert zu haben. Ansonsten läuft man nämlich Gefahr, bewegungslos und paralysiert im Laden zu stehen und nicht mehr zu wissen wo man sich befindet und was eigentlich tun anstand – also so ähnlich wie bei überraschender Radiowerbung. Ich halte es inzwischen aber auch für möglich, dass dies ebenfalls als Strategie herhalten könnte, dem betäubten Kunden irgendwie, so ganz zufällig, noch ein paar unnütze Dinge in den Wagen zu befördern.
Fred – 24. Oktober 2012, 22:56 Uhr
Immer mit Bargeld bezahlen. Wahlweise vor dem Einkauf das eigene Geldlimit auf dem Einkaufszettel durchrechnen und vermerken, dann kann die ganze Sache schon nicht mehr so ausarten. Eine Milch fürn Euro und sechs Eier für zwei Euro lassen wenig Spielraum für elektrische Zahnbürsten.
Sofern sich nun also niemand dazu hinreißen lässt doch noch die EC-Karte zu nutzen, kann eigentlich beim Einkauf kaum noch was schief gehen.
Günter – 25. Oktober 2012, 20:43 Uhr
Naja, eine elektrische Zahnbürste für 12,99 Euro finde ich per se nicht wirklich teuer … aber das ist eine andere Frage. Sehr viel schöner finde ich den Trick innerhalb einer Warengruppe: Eine Weinflasche für 5,99 Euro neben lauter günstigeren Weinen für 2,00 oder 3,00 Euro ist teuer. Stellt man aber einige Weine für 25,00 oder gar 30,00 Euro dazu, dann sind die 5,99 Euro plötzlich ein richtiges Schnäppchen, bei dem man gar nicht anders kann, als zuzugreifen … ;-) …
Raze – 31. Oktober 2012, 22:10 Uhr
Niemals mit leerem Magen einkaufen! a) verlängert das die Verweildauer im Markt, weil auf einmal alles so lecker aussieht und man dann plötzlich hier und da noch etwas interessantes sieht; b) kauft man plötzlich viel größere Mengen als benötigt, weil man ja neben der Erjagung von Vorrat auch noch das Bedürftnis hat, seinen Hunger zu stillen.
Eine volle Blase/voller Darm ohne Kundentoilette in Aussicht hingegen wirkt Wunder als Hilfe, sich auf die wirklich nötigen Dinge zu beschränken.
Alita – 26. November 2012, 14:25 Uhr
Vorsicht! Die Obst- und Gemüseabteilung liegt deshalb gleich beim Eingang, damit der Kunde dann mit beruhigtem Gewissen drei Gänge weiter die Fast-Foodregale mit Fertiggerichten und Süßigkeiten plündern kann. Mit den drei Bioäpfeln im Korb hat man ja schließlich schon etwas für die Umwelt und die Gesundheit getan, jetzt darf man sich ja etwas gönnen, oder? Falsch!
MrsSoediv – 26. November 2012, 18:27 Uhr
Konsum-Psychologe Sebastian Haupt im Gespräch mit Magazin NOVUM (Ausgabe 10/2012)
Novum: „Wie viel Psychologie steckt im Konsumverhalten?“
SH: „Zwischen 70 und 95% unserer Kaufentscheidungen treffen wir unbewusst. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir wie ferngesteuert einkaufen gehen. Betreten wir einen Supermarkt, prasseln viele Informationen auf uns ein. Unser Gehirn wäre total überfordert, alle Reize bewusst zu verarbeiten. Darum filtert es die wahrscheinlich wichtigen Informationen automatisch aus der Umwelt heraus. So kommt es, dass wir beispielsweise eher uns vertraute Marken kaufen oder zu Produkten greifen, die uns durch einen unterbewussten Code sagen: Ich bin genau das, was du suchst und brauchst.“
Novum: „Existieren Spielregeln bei der Anordnung von Designelementen, Stichwort Verpackungen?“
SH: (…) „Sind die Produkte unten respektive unten rechts abgebildet, wirkt die Verpackung schwerer – man bekommt also mehr für sein Geld. Light-Produkte wirken hingegen leichter (und gesünder), wenn beispielsweise die abgebildeten Chips auf der Tüten nach oben fliegen. (…) Je mehr Produkte auf einer Verpackung abgebildet sind, desto mehr sind auch drin – schätzen wir als Konsumenten. Wer teuere Pralinen vermarktet, sollte demnach besser wenige davon auf der Packung abbilden, um Wertigkeit zu unterstreichen. (…) Stellt man sich bildlich vor, wie man Produkte verwendet, so steigert das die Kaufabsicht – das Besitzgefühl wird dadurch aktiviert. Sie Sensorik-Forscherin Aradhna Krishna hat herausgefunden, dass Produktbilder das Denken an die Verwendungssituation intensivieren können. Es reicht bereits aus, das Produkt in Richtung der dominanten Hand des Betrachters zu zeigen. Die Kuchengabel auf einer Tortenwerbung sollte also auf der rechten Tellerseite platziert sein, so dass der Betrachter „zugreifen“ kann.“
LotterLouie – 21. März 2013, 21:14 Uhr
Öhm. Indiana Jones WAR ohne Karte im Tempel des Todes…